Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik |
Lehre von der Bewegung von Körpern in Gasen und den dabei auftretenden Wirkungen und Kräften. Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt der Luftwiderstand quadratisch zu und übersteigt ab ca. 20 km/h alle anderen > Fahrwiderstände zusammen (Rollwiderstand, mechanische Reibungsverluste). Bei einem strömungsgünstig verkleideten > HPV-Fahrrad allerdings (z.B. > Vector) ist dies erst ab etwa 100 km/h der Fall! Luftwiderstand Er entsteht durch den sog. "Staudruck" (die Luftsäule, die der Radler horizontal vor sich herschiebt) sowie durch die > Reibung zwischen Fahrzeugoberfläche und der sie umströmenden Luft. Der Luftwiderstand ist bei tropfenförmigen Körpern minimal (BILD 27). Bereits beim Umströmen von Kugeln (BILD 28) oder runden Körpern entstehen energiezehrende Luftwirbel (BILD 2), die beim Radfahrer besonders ausgeprägt sind (BILD 29). Der Luftwiderstand errechnet sich nach der Formel: FLuft = cw x A x Rho x v2 2 hierbei ist: FLuft = Luftwiderstand, in > Newton; cw = Luftwiderstandsbeiwert (s.u.), dimensionslos; A = > Stirnfläche des Körpers, in m2 Rho* = Luftdichte, in kg/m3; v = Geschwindigkeit, in m/s. * Hinweis für den Sätzer: steht hier, oben und unten für kleines gr. Rho Einflußgrößen cw-Wert: dimensionsloser (ohne physikalische Einheit) Kennwert, der die Windschnittigkeit von Körpern beschreibt (c = Konstante, w = Widerstand). Der cw-Wert hängt stark von der Körperform ab. Eine Auswahl verschiedener Körper und deren cw-Wert zeigt BILD 30. Auf den Radler bezogen (unter Einbeziehung des Fahrrad-Lustwiderstandes) erreicht der cw-Wert bei der aufrechten Fahrweise auf dem > Hollandrad z.B. ein cw-Wert von 1,2. Bei sportlichen Fahrpositionen ist Kopf- und Körperhaltung entscheidend für den cw-Wert. Unter optimalen Bedingungen lassen sich folgende Werte erreichen: Rennfahrer in > Zeitfahrposition 0,85 (BILD 31) > American Position 0,82 (BILD 32) > Obree-Haltung 0,80 (BILD 33) > Hochaufleger 0,78 (BILD 34) Noch günstigere cw-Werte bis 0,6 sind mit weit zurückgelehneter Fahrposition mit > Liegerädern zu erreichen. Den Rekord hält momentan der von Christian Smolik überarbeitete > Vector mit 0,07. Stirnfläche: Bez. f.d. größte Querschnittsfläche eines durch die Luft bewegten Körpers. Mit zunehmender Stirnfläche wächst der Luftwiderstand linear an. Daher versucht jeder Radfahrer bei Gegenwind sich möglichst flach auf das Fahrrad zu ducken - seine Stirnfläche also möglichst klein zu halten. So kann sie gegenüber der aufrechten Haltung des Hollandrad-Fahrers (A = 0,6 m2) durch Einnahme der American Position oder Obree-Haltung annähernd halbiert werden (A = 0,39 resp. 0, 38 m2). Anmerkung: In Windkanalversuchen werden häufig der cw-Wert und die Stirnfläche des Körpers zum sog. cwA-Wert zusammengefaßt. Damit lassen sich Versuchsobjekte einfacher miteinander vergleichen. Luftdichte: Die Luftdichte geht linear in die Berechnung des Luftwiderstandes ein und ist selbst abhängig vom jeweils herrschenden Luftdruck, von der Luftfeuchtigkeit und von der Höhe über Meeresspiegel. Für Normalbedingungen von 20° C, Meereshöhe sowie 60% Luftfeuchte wird die Luftdichte mit 1,199 kg/m3 gerechnet. Mit zunehmender Höhe nimmt die Luftdichte ab und beträgt beispielsweise in 2000 m Höhe bei gleicher Temperatur und Luftfeuchtigkeit von 0,94 kg/m3. Darauf beruhen > Stundenweltrekorde in entsprechender Höhe, z.B. Francesco Moser 1984 in Mexico City. Beispiele 1. Normalradler aufrecht fahrend bei 15 km/h, wobei: cw = 1,2; A = 0,6 m2 Rho = 1,2 kg/m3; v = 4,17 m/s. damit beträgt der Lustwiderstand: FLuft 15 = 1,2 x 0,6 x 1,2 x 4,17 x 4,17 2 = 7,5 N 2. Normalradler aufrecht fahrend bei 30 km/h, wobei: cw = 1,2; A = 0,6 m2 Rho = 1,2 kg/m3; v = 8,33 m/s. damit beträgt der Lustwiderstand: FLuft 30 = 1,2 x 0,6 x 1,2 x 8,33 x 8,33 2 = 29,98 N Damit muß der Radfahrer also bei doppelter Geschwindigkeit den vierfachen Luftwiderstand überwinden. Der Übersicht halber ist in der folgenden Tabelle der Luftwiderstand von vier verschiedenen Sitzpositionen jeweils für 15 km/h, 30 km/h und 45 km/h nach o.g. Formel errechnet: Faktoren/ Dimension Normalradler, aufrecht (Hollandrad Rennradler Zeifahrposition Triathlet American Position Hochauflieger cw 1,2 0,85 0,82 0,78 A in m² 0,6 0,42 0,39 0,38 Rho in kg/m³ 1,2 1,2 1,2 1,2 v in m/s* 4,17/ 8,33/ 12,5 4,17/ 8,33/ 12,5 4,17/ 8,33/ 12,5 4,17/ 8,33/ 12,5 Fluft in N 7,5/ 30,0/ 67,5 3,72/ 14,9/ 33,5 3,3/ 13,3/ 30,0 3,1/ 12,3/ 27,8 *15/ 30/ 45 km/h entsprechen 4,17/ 8,33/ 12,5 m/sec. Fazit: Bei gleicher Geschwindigkeit muß der > Normalradler allein aufgrund seiner strömungsungünstigen Sitzposition die doppelte Leistung zur Überwindung des Luftwiderstands aufwenden als der Rennfahrer in seiner aerodynamisch optimierten Haltung! Dies gilt selbst beim Langsamfahren, auch wenn es hier nicht so ins Gewicht fällt. Verringerung des Luft- widerstandes Maßnahmen, mit denen der Radler den Luftwiderstand senkt sind v.a.: geduckte Haltung, eng anliegende Kleidung und stromlinienförmiger Helm. Darüberhinaus läßt sich auch das Fahrrad aerodynamisch optimieren: > Scheibenäder bzw. > Composite Wheels (BILD 35), > Tropfenfelge, > Säbelspeichen sind hier die wirksamsten Maßnahmen. Weitere Feinheiten lassen sich durch einen windschlüpfigen Rahmen (> Aero-Rad) sowie optimierte Schuh- und Pedalformen erreichen. Bes. bei Einzelwettbewerben und beim > Triathlon kommen diese Maßnahmen vermehrt zum Einsatz. I.G. dazu ist beim klassischen Radrennen der Einsatz aerodynamisch optimierten Materials von weit geringerer Bedeutung, da hier - außer bei "Ausreißversuchen" - nahezu ausschließlich im > Windschatten des Feldes gefahren werden kann, in dem der/die Führende/n die Hauptarbeit leisten (vgl. hierzu BILD 31). Leistung Da der Radfahrer den Luftwiderstand nicht im Stand, sondern bei seiner jeweiligen Geschwindigkeit überwindet, erfordert das von ihm > Leistung. Diese ist als "Kraft mal Weg pro Zeit" definiert, wodurch - gegenüber dem Luftwiderstand, s.o. - die Geschwindigkeit (Weg pro Zeit) noch einmal in die Rechnung eingeht. Es wird also PLuft = FLuft x v oder PLuft = cw x A x Rho x v3 2 hierbei ist: PLuft = zur Überwindung des Luftwiderstandes erforderliche Leistung in > Watt; FLuft = Luftwiderstand, in > Newton; cw = Luftwiderstandsbeiwert (s.u.), dimensionslos; A = > Stirnfläche des Körpers, in m2 Rho = Luftdichte, in kg/m3; v = Geschwindigkeit, in m/s. Beispiele 1. Normalradler aufrecht fahrend bei 15 km/h, wobei: cw = 1,2; A = 0,6 m2 Rho = 1,2 kg/m3; v = 4,17 m/s. damit beträgt die erforderliche Leistung: PLuft 15 = 1,2 x 0,6 x 1,2 x 4,17 x 4,17 x 4,17 2 = 31,33 W 2. Normalradler aufrecht fahrend bei 30 km/h, wobei: cw = 1,2; A = 0,6 m2 Rho = 1,2 kg/m3; v = 8,33 m/s. damit beträgt der Luftwiderstand: PLuft 30 = 1,2 x 0,6 x 1,2 x 8,34 x 8,33 x 8,33 2 = 249,7 W Zur Überwindung des Luftwiderstandes muß der Radfahrer also bei doppelter Geschwindigkeit die achtfache Leistung erbringen (vgl. auch BILD 36). Bei Verdreifachung der Geschwindigkeit (im Beispiel also 45 km/h) muß er seine Leistung sogar versiebenundzwanzigfachen (845,8 W), weswegen der Normalradler dieses Tempo höchstens bergab erreicht. Vgl. auch die anderen mit Aero- beginnenden Stichwörter.
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redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000