Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik |
Dem "Lieferwagen" analoge und in der > DIN 79 100 angewandte Bez. für ein > Lastenrad, Einzelheiten s.d.
LIEGERAD/SESSELRAD
I.d.R. niedrig gebautes Fahrrad, auf dem der Fahrer eine liegende bis sitzende Haltung einnimmt, daher auch die Bez. "Sesselrad" für bestimmte Modelle, bei denen eine halb aufrechte Haltung eingenommen wird. Liegeräder benötigen daher statt eines Sattels spezielle Sitz- oder Liegegschalen, außerdem unterscheidet sich ihre > Rahmengeometrie völlig von der herkömmlicher Fahrräder. Vor- & Nachteile Die Vorteile von Liege- resp. Sesselrädern liegen in der bequemen Fahrhaltung und der gegenüber herkömmlichen Fahrrädern geringeren > Stirnfläche (günstige > Aerodynamik - Vorteile bei flachem Streckenprofil). Nachteilig wirkt sich hingegen das schlechtere > Handling aus, wodurch diese Räder vorwiegend an feste Straßen gebunden sind. Darüberhinaus ist das > Lenkverhalten gewöhnungsbedürftig. Historie Ein nicht näher spezifiziertes "Fauteuil-Velociped" von 1893 gilt als erstes Liegerad der Welt. 1895 stellt der Schweizer Erfinder Challand auf dem Genfer Fahrradsalon ein Sesselrad mit Ganzkörperantrieb (Kurbel- plus Armantrieb) vor; 1896 US-Patent für dieses Prinzip durch I.F. Wales. 1897 erster Bauchlieger von Darling, USA. 1900/01 erste Kleinserie eines Liegerades von Brown, USA. 1914 erstes Serienliegerad mit größeren Stückzahlen von Peugeot, Frankreich. Dieses Rad war auch mit einer der ersten > Kettenschaltungen ausgerüstet. Mit der > HPV-Bewegung erlebte das Liegerad eine Renaissance aufgrund seiner aerodynamischen und ergonomischen Vorzüge und hat sich heute eine beachtliche Nische auf dem Fahrradmarkt erobert. Im Groben lassen sich Liegeräder - von der Unterscheidung in Bauch- (selten) und Rückenlieger einmal abgesehen - in folgende Konzeptionen einteilen: Langlieger Einspuriges Liegerad mit sehr langem > Radstand, da das - gegenüber dem Hinterrad meist kleinere - Vorderrad noch vor der > Tretlagerung angeordnet ist. Langlieger besitzen einen sehr guten > Geradeauslauf, aber mit einer Gesamtlänge von 2,60 m bis über 3 m nur geringe > Wendigkeit. Sie sind von Neulingen umso leichter zu fahren, je aufrechter und höher der Fahrer sitzt. Das weit vorgesetzte Vorderrad ist jedoch nur so wenig belastet, daß es einiger hundert Kilometer Fahrpraxis bedarf, bis das Gerät auch in kritischen Situationen voll beherrscht wird. Klassische Langlieger sind der "Peer Gynt" (Nachfolgemodell: "Viper") von Radius und der "Avatar 2000" von Prof. Wilson, USA. Kurzlieger Einspuriges Liegerad mit kurzem Radstand, da das - z.T. gleichgroße - Vorderrad hinter dem Tretlager angeordnet ist. Mit engerem Radstand, geringerer Sitzhöhe und stärkerer Liegehaltung ist der Kurzlieger für Neulinge gewöhnungsbedürftiger als der Langlieger. Das stärker belastete Vorderrad allerdings vermittelt dem Kurzlieger ein weniger tückisches Fahrverhalten, so daß weniger Fahrpraxis ausreicht, um ihn auch in kritischen Situationen zu beherrschen. Durch seine Wendigkeit und geringere Sperrigkeit ist der Kurzlieger heute das beliebtere Liegerad. Klassische Modelle sind das Rinkowsky-Sesselrad und der "ST-2" von Flux. dreispurig Durch zwei Vorder- oder aber Hinterräder besitzt das dreispurige Liegerad eine stabile Straßenlage und ist von jedermann zu fahren. Hinderlich, speziell zum Befahren von Fahrradwegen ist jedoch der Abstand zwischen den beiden nebeneinander angeordneten Rädern. Außerdem verdreifacht sich die "Schlaglochtrefferquote" durch die Dreispurigkeit. Dreispurige Liegeräder benötigen ferner eine hoch untersetzte Lenkung für die Geradeausfahrt. Bei höheren Geschwindigkeiten kann nicht durch Schräglage gelenkt werden. Die zur Geradeausfahrt benötigten Vorderradausschläge, die generell unterhalb eines Millimeters liegen, müssen exakt ausgeführt werden. Dank ihrer bereits stabileren Straßenlage eignen sich dreispurige Liegeräder besonders zum Karosserieren. Klassische Modelle sind der "Windcheetah" von Mike Burrows und der "Sports Tourer" von Greenspeed, s.a. das bei Hilfsmotor beschriebene Liegedreirad. vierrädrig (zweispurig) Da die Baubreite von Fahrrädern (Benutzung von Radwegen; Abstellmöglichkeiten) begrenzt ist, läßt sich mit vierrädrigen Liege- oder Sesselrädern eine höhere seitliche Standfestigkeit erreichen als mit dreispurigen. Vierrädrige Liegeräder sind bisher eine Randerscheinung, könnten aber aufgrund ihres höheren > Standmomentes bei entsprechend leichtgewichtiger Bauweise an Bedeutung gewinnen. teilkarosseriert Geeignet hierzu sind alle vorgenannten Liegeradtypen, wobei entweder aus Bequemlichkeitsgründen mittels > Zipper nur der Fahrtwind abgehalten wird, was nur geringe aerodynamische Vorteile bietet, oder es wird ein strömungsgünstiger Abschluß der Liegeschale geschaffen, die dann gleich als Stauraum genutzt werden kann und sich hinsichtlich der > Windschlüpfigkeit günstiger auswirkt (Flux "ST-2" und "Z-Pro"). vollkarosseriert Geeignet hierzu sind wegen ihrer stabileren Straßenlage besonders dreispurige und vierrädrige Liegeräder, wobei die dreispurigen mit zwei nebeneinander liegenden Vorderrädern eine aerodynamisch besonders günstige tropfenförmige Verkleidung realisierbar machen. Der von Christian Smolik 1985 weiterentwickelte > Vector erreichte so einen > cW-Wert von 0,07. Andere klassische karosserierte dreispurige Liegeräder sind der "Windcheetah" und die "Leitra". Bei einspurigen Liegerädern haben sich Vollverkleidungen nur bei Wettkampfliegerädern bewährt, da beim Anhalten die Gefahr des Umfallens besteht. Bauchlieger Eine Sonderrolle spielen die nur sehr wenig gebauten "Bauchlieger", bei denen der Fahrer bäuchlinks und Kopf voraus auf dem Fahrzeug liegt. Hiermit sind früher sogar einige Rekordversuche unternommen worden, heute tauchen sie hin und wieder als "Fun Bikes" auf. Hinderlich ist bei Liege- und Sesselrädern die durch das vorgelegte Tretlager benötigte übergroße Kettenlänge (übermäßiges Kettenschlagen). Zu deren Vermeidung wird bisweilen mit zwei Ketten gearbeitet (zusätzliche Übersetzungsmöglichkeit) oder auf Vorderradantrieb zurückgegriffen. Bisweilen finden sich auch die weniger effektiven > Linearantriebe.
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redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000