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Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

MATERIALFLIESSEN

Übersteigt die punktuelle Belastung eines Bauteils seine Festigkeit, so kommt es
zum sog. "Fließen des Materials", einer > plastischen Verformung.

Der Beginn des Materialfließens zeigt gleichzeitig das Ende der > elastischen
Verformung an und ist daher ein wichtiger konstruktiver Sachverhalt für
Formbeständigkeit und Dauerbelastbarkeit von Bauteilen. Daher versieht man
Festigkeitsangaben teilweise mit dem Index 0,2 und das bedeutet, daß nach
Wegnahme der belastenden Kraft bereits 0,2 % > plastische Verformung verbleiben
Beispiel: Angabe der Festigkeit R 0,2 = 700 N/mm² besagt, daß ein 100 mm langer
Stab bei einer Belastung von 700 N/mm² nach Wegnahmen der Kraft um 0,2 %, also
um 0,2 mm gelängt ist.

Der 0,2%-Wert findet sich auch auf den Festigkeitsangaben der Schrauben. So
bedeutet die Bezeichnung 8.8 auf Schrauben, daß sie bei einer Belastung von 800
N/mm² brechen, bei 80 % dieses Wertes, also 640 N/mm² bereits 0,2 % bleibende
erste Verformung aufweisen. Entsprechend eine 12.9 Schraube zwar bis 1.200 N/mm²
belastbar ist, bei 1.080 N/mm² jedoch das Materialfließen einsetzt.

Ein velophiles Beispiel für Materialfließen ist die plastische Verformung der
Kettenblattzähne: Tritt ein Radler kräftig ins Pedal, so wird bei einem >
Kettenblatt mit 42 Zähnen seine Trittkraft (> Pedalkraft) verdoppelt, da der
Durchmesser des Kettenblatts nahezu exakt halb so groß ist wie die > Kurbellänge
(vgl. > Hebelgesetz).

Bei einer Pedalkraft von 1.500 N (rund doppeltes Körpergewicht) wirken dann
3.000 N auf die Kette. Eine Besonderheit ist nun, daß nicht alle in die Kette
eingreifenden Zähne gleichstark belastet werden, vielmehr trägt der erste und
letzte eingreifende Zahn ca. 85% der Last. In unserem Beispiel drücken daher
2.300 N (entspr. > Gewichtskraft von 230 kg) auf den Kettenzahn! Der nur 2 mm
breite Zahn (> Festigkeit 500 N/mm²) muß also eine Fläche von knapp 5 mm²
bilden, um die Kraft übertragen zu können.

Durch diese Extrembelastung kommt es dann zum Materialfließen mit dem Resultat
einer Eindellung des neuen Kettenblattes (alle Zähne bei der ersten
Kurbeldrehung). Materialfließen kann auch bei rüder Fahrweise oder
Unfallbelastung auftreten, z.B. Beulenbildung in Felge und Rahmenrohr, Kurbel
und Pedalachverbiegungen bei > Pedalaufsetzern u.ä.

Gezieltes Materialfließen wird übrigens bei der > Kaltverformung sowie beim >
Strangpressen von Aluminiumprofilen (Felgen) eingesetzt.



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Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000