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Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

NOTREPARATUREN

Notreparaturen dienen unterwegs dem Zweck, den zweirädrigen Untersatz wieder
fahrbereit zu bekommen um eine nahegelegene Werkstatt anzulaufen bzw. sich bis
zum nächsten Etappenziel durchzumogeln, ohne das Fahrrad schieben oder gar
tragen zu müssen.

Natürlich sollte der Pedaleur nach einem Notbehelf seine Fahrweise den Umständen
anpassen und den noch zu bewältigenden Weg mit Äußerster Vorsicht zurücklegen.

Wurde beispielsweise die Gabel oder das Vorderrad notrepariert, so ist die
Sitzposition weiter nach hinten zu verlagern, bei Maßnahmen am hinteren
Radbereich heißt es, das Gewicht entsprechend weit nach vorn zu bringen. Ein
Sturzrisiko ist trotzdem nicht auszuschließen, der Fahrer handelt also auf
eigene Verantwortung und Gefahr.

In der untenstehenden Tabelle sind alphabetisch geordnet erprobte
Behelfmaßnahmen aufgeführt. Und sollte - wie so oft im Leben - Ihr spezieller
Fall ganz anders liegen, hoffen wir, mit unseren Beispielen Ihre Kreativität und
Phantasie soweit beflügelt zu haben, eigene Lösungsansätze zu finden...

Defekt/Problem  Ursache Notbehelf          Vorbeugung
Acht in Laufrad Sturz/Einspuren
in Straßenbahn-schienen Laufrad ausbauen/mit Achse auf Stein
legen/hochstehende Ränder
der Acht kräftig nach unten drücken/Rad umdrehen/mit Gegenseite
dito verfahren/Laufrad nachzentrieren/Sitz-Position weiter nach hin-
ten verlagern   Auf steifere Felgen
(Tropfenfelgen)
umrüsten
Ausfallenden-
Schaltungsauge verbogen Sturz/Stock in
Schaltung/Schal-
tung in Speichen
geraten Ein Achsende eines Vorder-/Hinterrades fest in Schaltungs-
auge (Schnellspanner/Achsmutter) fixieren. Auge mit Vorder-/Hinter-
rad als Hebel vorsichtig zurückbiegen, bis ringsum gleichmäßiger Abstand
zwischen den Rädern besteht (1) Schaltungsschutz-
käfig montieren
Ausfallenden-
Schaltungsauge
gebrochen       Stock in Schal-
tung/Schaltung in
Speichen geraten        1.   Schaltungsadapter montieren (2).

2.   Mit  "kurzer Kette" weiterfahren. Dazu: Kette öffnen, auf "Ar-
      beitsgang" (z.B. 52/18 oder 42/15) legen und entsprechend kür-
      zen. Kette darf max. 5 mm durchhängen/ggfs. Längenkorrektur
      durch Hinterrad im Ausfallende vornehmen. Schaltungsschutz-
käfig montieren/
Schaltungsadapter
mitführen
Bowden-Innenzug
gerissen        Verschleiß;
Schmierstoff-
mangel  Ein einzelnes Drähtchen vom Innenzug loszwirbeln/25 mm von Riß-
stelle entfernt beide Zugenden um 180 Grad scharf abwinkeln und
miteinander verhaken/einzelnes Drähtchen stramm um gesamte
Flickstelle wickeln*/Bremse u. Schaltung neu einstellen Ersatzzüge mit-
führen
Elektolüsterklemme
mitführen
Freilauf ratscht
durch   Sperrklinken
gebrochen       Größtes Ritzel mit Draht/Ersatzbowdenzug in Hinterradspeichen
verflechten/Schaltung weiter benutzen, jedoch wie beim "starren"
Gang ständig mittreten (3)      Umrüsten auf hoch-
wertigere Produkte
Gabel nach hinten
verbogen        Sturz/Auffahrun-
fall    Vorderrad ausbauen/auf Boden liegend Füße am Tretlagergehäuse
abstützen und Gabel kräftig vorziehen/vorsichtig weiterfahren (weit
nach hinten setzen), da Gabelbruchgefahr (4)    Defensive Fahrweise
Gepäckträgerbein
gebrochen       Materialermüdung        Bruchstelle mit 6-fach umwickelten Streifen
Dosenblech "schienen"/
Blechlagen durch Kabelbinder- Rohrschellen- Isolierband fest
aufeinander pressen*    Umrüsten auf hoch-
wertige Produkte
Kette gerissen/kein Nieter dabei        Schaltwechsel
unter Tretlast/
Ketter unsauber
vernietet       1.   Kettenlaschen nicht verbogen: Kette wieder zusammenfügen/
      Nietstelle auf Stein legen/Niet mit zweitem Stein eintreiben.

2.   Kettenlaschen an Bruchstelle verbogen: Verbogene Laschen
     ausnieten/M 5-Mutter unterlegen/gekürzten Nagel/3 mm Innen-
     sechskant-Schlüssel als Treiber benutzen/Kette mit gleichen
     Utensilien zusammennieten/ohne Tretlast schalten (5)       Kette mit
Reparatur-
niet von Schimano
oder mit Rohloff-
Revolver vernieten
Seite...

Kettenschloß-Feder-
spange verloren Spange gegen
Kettendrehrichtung
montiert        Außenlasche gegen Abspringen sichern, indem dünner Draht oder
Büroklammer um Einkerbung der Nietstifte gewickelt wird Geschloss. Spangen-
ende in Drehrichtung
montieren
Kettenschloß ganz
verloren        Spange gegen
Kettendrehrichtung
montiert        Mittels mehrfacher Drahtschlaufen durch Hülsen der Kettenenden
ein Not-Außenlaschenglied herstellen/Gliedlänge zunächst etwas kürzer halten und
per dosiertem Pedaldruck auf normale Glied-
länge dehnen/mit geringer Tretlast weiterfahren; bergauf schieben       Geschloss.

Spangen-
ende in Drehrichtung
montieren/Ersatz-
schloß mitführen
Kein Abzieher
 dabei  erforderlicher Kur-
bel-/Lagerwechsel       Kurbelschraube lösen/Pedal des Fahrrades ganz nach unten
stellen und an Wand/Baum lehnen/ein Stück Holz in Achsnähe auf Kurbel-
stern halten, kräftig mit Hammer/Stein auf Holz schlagen (6)    Abzieher
mitnehmen /Integrierten Kurbelab-zieher mont. seite...

Defekt/Problem  Ursache Notbehelf       Vorbeugung
Lenkerbruch     Sturz/Unfall/
"ermüdeter" Leicht-
lenker  Gebrochenes Rohr innen mit Stock, außen mit 6 Lagen Dosenblech
"schienen"/Blechlagen mittels Kabelbinder – Rohrschellen – Isolier-
band fest aufeinander pressen/besonders vorsichtig weiterfahren –
eine Hand auf Vorbau abstützen* (7)     Leichtlenker halbjährl.

austauschen/
defensive Fahrweise
Rahmenbruch     Sturz/Unfall    Gebrochenes Rohr innen mit Stock, außen
mit 6 Lagen Dosenblech
"schienen"/Blechlagen mittels Kabelbinder – Rohrschellen – Isolier-
band fest aufeinander pressen/besonders vorsichtig und mit
geringer Tretlast weiterfahren – Wiegetritt vermeiden*  Defensive Fahrweise/
Umsteigen auf hoch-
wertige Produkte
Reifendraht
ausgerissen     Zu hoher Reifen-
druck/gratiges
Felgenhorn/
Beschädigung
beim Reifen-
wechsel Reifen 5 cm über Schadensbereich hinaus gründlich säubern und
überschmirgeln – entsprechenden Flicken aus Leinen/Baumwolle
oder Ersatzschlauch zurechtschneiden und doppelt nehmen/Reifen
und Flicken mit Gummilösung (Kontaktkleber) einstreichen und ab-lüften
lassen/Flicken zunächst innen fest andrücken, dann stramm
um Reifenkante ziehen und außen fest andrücken/max. 2,5 bar Reifendruck
einfüllen/notreparierten Reifen auf Hinterrad fahren,
auf Vorderrad besteht bei "Reifenknaller" akute Sturzgefahr (8)
Reifendruckangabe
nicht überschreiten/
Kunststoffreifen-
Heber verwenden/
faltbare Ersatzdecke mitführen
Riß/Schnitt in
Reifendecke     Zu hoher Reifen-
druck/Glasscher-
ben auf Fahrbahn        Mehrfach gefalteten Leinen-/Baumwoll-Lappen/alter
Reifenabschnitt (zur Not:ein Geldschein!!!) zwischen Schlauch und schadhafter
Reifenstelle einlegen/max. 3 – 4 bar Reifendruck einfüllen (9)  Faltbare
Ersatzdecke
mitführen
Sattelstütze
gebrochen       Sturz/Unfall/
Materialermüdung        1.   Verfahren wie bei Rahmenbruch.

2.   Lappen unterlegen/Sattel mit Kabelbinder auf Oberrohr be-
      festigen. Auf hochwertige
Produkte umrüsten
Schaltzug
gerissen        Verschleiß/
Schmierstoff-
mangel  1.   Schaltzug wie unter Bowdenzug notreparieren.

2.   Schaltwerk/Umwerfer mittels "H"- oder "L"-Einstellschraube
      auf Arbeitsgang (z.B. 52/18 oder 42/15) einstellen.

3.    Arbeitsgang mittels in das Paralellogramm von Schaltwerk oder
       Umwerfer geklemmten Steines/Stockes einstellen (10)      Ersatzzug mitführen/
Elektrolüsterklemme
mitführen
Schlauch geplatzt       Riß in Reifendecke/
Reifen abgesprun-
gen     Schlauch an Rißstelle durchschneiden/Schlauchenden fest
miteinander verknoten/Schlauch wieder einlegen und max. 2,5 bar
Reifendruck einfüllen/Schlauch auf Hinterrad fahren; auf Vorderrad
besteht bei erneutem Defekt akute Sturzgefahr (11)      Ersatzschlauch
mitführen
Speichenbruch   Materialermüdung/
unruhige oder rüde
Fahrweise       Speichenenden scharf um 180 Grad abwinkeln/Längenausgleich
durch mehrfach um Speichenhaken gewickelten Draht durchführen/
Speichen nachzentrieren; ist Ersatzspeiche zu lang: Speiche durch
scharfe Zick-Zack-Biegungen quasi verkürzen     Ersatzspeichen
(Kopflose "Z"-Spei-
che für Zahnkranz-
seite) mitführen
* Die Festigkeit von Notverbindungen kann durch Einstreichen der Hilfsmittel mit
Zweikomponenten-Kleber erheblich gesteigert werden.

Tips zur Vorbeugung:

Rüsten Sie sich für unvorhersehbare Defekte mit speziellen Mini-Werkzeugen aus.

Empfehlenswert sind dabei Multifunktions-Werkzeuge mit Kettennieter, wie sie
unter anderem von Minoura, Park Tool oder mit dem McGuyver im Fahrradfachhandel
angeboten werden.

An eingetrockneter Gummilösung scheiterte bereits häufig der Versuch einen
Reifen zu flicken. Vorbeugend sollten Sie deshalb entweder stets eine noch
ungeöffnete Tube Gummilösung  oder den selbstklebenden "Trockenflicker" von Park
Tool mitführen.

Speichendefekten können Sie durch das Umrüsten auf eine möglichst steife, sprich
voluminöse Felge entgegenwirken. Praktisch erfüllen sämtliche Tropfenfelgen mit
einem Gewicht von mehr als 450 Gramm diese Vorgaben. Weiterhin sollten Radfahrer
mit einem Körpergewicht von über 90 Kilogramm die Hinterradspeichen
profilaktisch alle 5.000 Kilometer austauschen - am Vorderrad sollte der Wechsel
nach ca. 15.000 Kilometern erfolgen.



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Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000