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Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

RAHMENBELASTUNG

Die auf einen Fahrradrahmen einwirkenden Belastungen sind mathematisch kaum in
den Griff zu bekommen. Bereits in Abhängigkeit von den Größen "Fahrergewicht"
und "Fahrstil" können die Kräfte je nach Fahrer um den Faktor 10 differieren!
        Maximalbelastungen
Daher greift man auf Praxiswerte zurück, die zu Bruch oder Defekten führen und
durch statische Meßmethoden nachvollzogen werden. Beispiel: Tests, bei denen
Laufräder belastet werden, bis Nabenachsen plastisch verformt werden.

Mit diesen im Folgenden aufgeführten Maximalbelastungen als Randbedingung können
dann per Computer mit der "Finite Elemente-Methode" Berechnungen der Belastung
der einzelnen Rahmenelemente erfolgen, was sich insbes. bei > zusammengesetzten
Belastungen bewährt hat.

        vertikale Kräfte
Sie gelangen durch Fahrbahnunebenheiten in den Rahmen: Beim > Renn- und >
Gebrauchsrad bis 9.000 N, beim > Mountainbike bis 14.000 N.

        seitliche Kräfte
Sie gelangen hauptsächlich über den > Wiegetritt in den Rahmen: Bei
Rennsportlern bis 500 N, die seitlich auf den Tretlagerbereich einwirken.

        horizontale Kräfte
Auf die Gabel einwirkend: Renn- und Gebrauchsrad bis 800 N, Mountainbike bis
1.500 N.

Diese Maximalkräfte "verdaut" ein seriös gefertigter > Diamantrahmen bei einer >
Festigkeit der Rohre von 850 N/mm².

Anmerkungen:

1.  Ab > Rahmenhöhe 60 cm bei Rennrahmen und 55 cm bei Mountainbikes ist es
sinnvoll voluminösere Rahmenrohre einzusetzen, da die Rohre mit zunehmender
Länge in der dritten Potenz an > Biegesteifigkeit abnehmen. Mit dieser Maßnahmen
kann sowohl der Tretlagerbereich steifer ausgeführt werden wie auch die
Anfälligkeit gegen > Rahmenflattern zu eliminieren.

2.  Bei Rohren minderer Festigkeit als den o.g. 850 N/mm² muß die Wandstärke
entsprechend erhöht werden. Besitzt das Rohr beispielsweise nur eine Festigkeit
von 500 N/mm² so muß seine Wandstärke um das 1,7-fache (850/500=1,7) erhöht
werden.

3.  Bei Rahmen aus > Aluminium oder > Titan muß ferner das geringere >
Elastizitätsmodul dieser Metalle gegenüber > Stahl berücksichtigt werden. Um auf
gleiche Steifigkeitswerte wie beim Stahlrahmen zu kommen, muß wieder
entsprechend die Wandstärke oder der Rohrdurchmesser erhöht werden.

4.  Die Aufteilung der Vertikalkräfte in den einzelnen Rahmenrohren entnehmen
Sie der nebenstehenden Skizze.

        Weichtreten
Radsportler sprechen häufig vom "Weichtreten" ihrer Rahmen, will heißen, daß
nach einiger Betriebszeit die > Seitensteifigkeit der Rahmen abnimmt, das
Fahrverhalten des Rahmens also "schwammig" wird.

Diese immer wieder subjektiv gemachte Feststellung ist physikalisch paradox, da
der Elastizitätsmodul des verwendeten Rahmenmateriales und damit die
Seitensteifigkeit der Rahmen keiner Zeitfunktion unterliegt. Trotzdem sind zwei
Erklärungsansätze denkbar (Einzelheiten s. > Weichwerden):

1. Der Rahmen wurde nicht spannungsfrei gebaut. Die damit eingebrachte >
Vorspannung versteift den Rahmen zunächst, baut sich jedoch durch seitliche
Belastungen, die bis an die Grenze der > plastischen Verformung gehen, im Laufe
der Zeit ab.

2. Das Rahmenmaterial im Tretlagerbereich (s. auch > Rahmenbruch: Unterstreben)
ist bereits so weit zerrüttet (> Materialermüdung und > Dauerschwingbelastung),
daß bereits Rißbildungen vorliegen.

Weitere Informationen s. > Rahmenbruch.

Rh 46ff
4/92-102ff
Rahmen-bruch
Brüche des > Rahmens duch Unfälle und andere Gewalteinwirkung, bei fehlerhafter
Fertigung (> Lötfehler) auch infolge > Materialermüdung.

Im Folgenden die klassischen Bruchstellen:

        hinterem Ausfallenden
Die hinteren > Ausfallenden sind ständigen > elastischen Verformungen der
Hinterradachse ausgesetzt. Da sie eine geringere > Biegesteifigkeit als das
angrenzende Rohr besitzen, werden die Ausfallenden von der sich verformenden
Achse "mitgenommen" und unterliegen so einer ständigen > Dauerschwingbelastung.

Senkrechte, geschmiedete Ausfallenden haben übrigens eine größere Bruchresistenz
als filigran ausgearbeitete horizontale Ausfallenden.

        Gabel
Gabelbrüche sind fast immer auf Gewalteinwirkung zurückzuführen,
Gabelschaftbrüche können aber auch im Zusammenhang mit > Korrosion auftreten,
Einzelheiten s. > Gabelbruch.

        Unterstreben
Betroffen ist der Bereich hinter dem > Tretlagergehäuse, wobei sich der Bruch
meist auf 1. konstruktive Mängel oder 2. > Lötfehler zurückführen läßt.

Zu 1.: Da mittlerweile häufig auf den klassischen > Tretlagersteg zugunsten
rationeller Fertigung verzichtet wird, kommt es bei antrittsstarken Radlern an
dieser beim > Wiegetritt hochbelasteten Stelle zu starken Biegebelastungen
hinter dem Tretlagergehäuse und schließlich zu Bruch infolge von >
Materialzerrüttung und > Dauerschwingbelastung. Ein mit > Verstärkungsblech
eingelöteter > Tretlagersteg (flächige Anlegung) vermeidet zuverlässig
Biegebelastungen in diesem Bereich.

        Muffenbereich
Brüche im Muffenbereich zum > Steuerrohr treten meist nach Gewalteinwirkung auf
(Auffahrunfall), v.a., wenn der Rahmen Beulenbildung aufweist und wieder zurück
gerichtet wurde (sog. "Überstreckung" des Rohrmaterials).

        Aero-Rahmen
Bei der Konzeption von > Aero-Rahmen in den 80er Jahren wurden die beiden
Sattelstreben häufig aneinanderliegend ans Sattelrohr gelötet oder waren sogar
hinter dem Klemmsockel der Sattelklemmung angebracht. Mangels >
Seitensteifigkeit dieser windschnittigen Konstruktion kommt es zu >
Materialzerrüttung und Bruch.

        Anlötteile
Rahmenbrüche an den > Anlötteilen sind auf > Lötfehler zurückzuführen. Z.T.

(Umwerfersockel), wenn das Anlötteil an einer Übergangsstelle von >
endverstärkten Rohren zu deren dünnen Bereich angelötet wurde, kann der Bruch
auch infolge eines gestörten > Kraftflusses (sog. "Querschnittsprünge")
auftreten.

        Ablauf von Rahmenbrüchen
Je nach Rahmenmaterial verlaufen Rahmenbrüche unterschiedlich schnell und lassen
sich durch Warnsignale meist rechtzeitig erkennen:

                Stahlrahmen
Bei Stahlrahmen tritt ein Rahmenbruch nie schlagartig auf, sondern ist der zähen
Struktur des > Stahls entsprechend ein Prozeß, der sich vom ersten Riß bis zum
Bruch über mehrere Wochen und Monate hinzieht. Im Allgemeinen lassen sich
Stahlrahmenrisse durch ein vernehmliches Knacken rechtzeitig erkennen.

                Alurahmen
Rasanter verläuft ein Rahmenbruch bei dem kerbempfindlichen Rohrwerkstoff >
Aluminium: Hier sind auch schon - wenn der Rahmen unter hohen Spannungen
hergestellt wurde - schlagartige Rahmenbrüche aufgetreten! Bei einem erkennbaren
Riß sollte man also die Fahrt auf jeden Fall einstellen, notfalls ganz
vorsichtig unter wiederholter Kontrolle der Rißstelle "nach Hause rollen".

                Carbonrahmen
Rahmen aus dem Faserverbundwerkstoff > Carbon gelten als extrem bruchresistent,
schließlich besitzt Carbon eine noch höhere > Dauerschwingfestigkeit als Stahl.

Am stärksten bruchgefährdet sind daher zunächst die an > Carbonrahmen
eingesetzten Fremdmaterialien:

Bei Rundrohr-Carbonrahmen brechen infolge von Dauerbelastungen v.a. die >
Aluminium-Muffen, wenn diese aus > Druckguß statt in geschmiedeter Version
hergestellt sind;
Beim > Monocoque sind die hinteren > Ausfallenden der Schwachpunkt. Brüche
treten bei Gewalteinwirkung (Sturz o.ä.), beim Mountainbike z.T. auch durch in
die Schaltung geratene Fremdkörper auf.

Hohe punktuelle Belastungen bei Sturz können aber auch Carbon per Knick- bzw.

Splitterbruch brechen lassen. Hierbei gibt nicht nur die Carbonfaser ihren Geist
auf, auch das sie fixierende Harz bricht. Ein solcher Bruch arbeitet sich Lage
um Lage in die Tiefe, was übrigens ebenfalls mit deutlich vernehmbaren Knacken
und Knistern einhergeht. Auch hier besteht also keine unmittelbare Gefahr.

Gefährlich bei Carbon sind Splitterbrüche bei Stürzen: Die z.T. lanzenartigen
Splitterteile können zu schwersten Verletzungen führen. Zur Minderung dieses
Risikos wird daher häufig die zähere Aramidfaser > Kevlar mitverarbeitet.

                Titanrahmen
Der Werkstoff > Titan hinkt trotz verbesserten Legierungen hinsichtlich >
Dauerbelastbarkeit immer noch Stahl hinterher. Aber, wie bei Stahl, tritt ein
Rahmenbruch nicht schlagartig auf.

        Gabelbruch
Wirklich kritisch ist allerdings ein Bruch des > Gabelschaftrohres: Von außen
nicht sichtbar, arbeitet sich ein Riß nach und nach rund um das Rohr herum und
der Bruch tritt unvermittelt, meist sogar auf ebener Strecke auf, Einzelheiten
s. > Gabelbruch.

     Präventivmaßnahmen
Nach einem Sturz das Fahrrad vom Händler überprüfen lassen. Bei Knackgeräuschen
Rahmen und Gabelschaft auf Rißbildungen untersuchen (lassen).



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Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000