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Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

SCHEIBENRAEDER

Speichenlose > Laufräder, die v.a. beim > Zeitfahren, > Bahnwettbewerben und >
Triathlon eingesetzt werden.

Die meist aus > Carbon, häufig in Verbindung mit > Glasfaser und > Kevlar
gefertigten Scheibenräder bieten aerodynamische Vorteile (s. > Aerodynamik),
sind aber seitenwindanfällig.

Bekannt wurden Scheibenräder durch Francesco Mosers > Stundenweltrekord von
1984. Moser umging die > UCI-Bestimmungen, wonach keine aerodynamischen Hilfen
bei Rekordversuchen eingesetzt werden dürfen. Da beim Scheibenrad aber die
Speichen entfallen und die Scheibe tragendes Element ist, kommt der
aerodynamische Vorteil sozusagen nur als "Nebeneffekt" zum Tragen: Der Rekord
mußte anerkannt werden (bei > Speichenverkleidung, die praktisch identische
Wirkung hat, wäre dies nicht der Fall gewesen).

        Leistungsersparnis
Gegenüber normalen 36-Speichen-Laufrädern erspart die > Windschlüpfigkeit eines
Scheibenrades dem Radler bei Tempo 40 ca. 16 Watt > Leistung (das bedeutet auf
100 km ca. 5 Minuten). Zum Vergleich: > Composite Wheels oder > Shamal-Laufräder
schlagen mit etwa 6-8 Watt Leistungsersparnis zu Buche.

        Einsatzbereiche
Scheibenräder sind wie schon gesagt sehr seitenwindempfindlich und werden daher
bei Freiluftwettbewerben i.d.R. nur am Hinterrad eingesetzt. Bei Windstille oder
in der Halle ist aber auch der Einsatz am Vorderrad möglich.

        Bauweisen
Die ersten Scheibenräder wurden sehr schwer ausgeführt, was hauptsächlich auf
mangelnde Erfahrung hinsichtlich Belastung und Auslegung dieser neuen
Technologie zurückzuführen war. Bei der Folgerung hieraus, ein Scheibenrad müsse
Schwungmasse besitzen, war sicherlich nicht die Auswirkung der höheren >
Kreisel- und > Trägheitskräfte von solchen Scheibenrädern bedacht, die sich u.a.

beim Antritt, beim Abbremsen und in Kurvenlage negativ auswirken. Die neusten
Generationen von Scheibenrädern unterbieten daher auch teilweise sogar die
Laufradgewichte von Speichenrädern, wie das abgebildete Ultex-Vorderrad mit
680g.

Erste serienmäßige Scheibenräder (1985) wurden aus mit Carbon beplankten
Wabenkernen hergestellt. Sie waren daran erkennbar, daß diese Räder von der
Felge bis zur Nabe die gleiche Dicke hatten. Nachteil dieser einfachen Bauweise
war der holprige Lauf aufgrund mangelnder vertikaler Elastizität.

Moderne Scheibenräder werden diskusförmig ausgebildet, bekommen dadurch
einerseits eine noch strömungsgünstigere Form, und andererseits eine günstigere
> Fahrdynamik (daher auch die Bez. "Dynamische Scheibenräder"), holpern also
weniger im Fahrbetrieb. Um die Fahrgeräusche zu mindern und ohne wesentliches
Mehrgewicht eine höhere Seitensteifigkeit zu erzielen, werden Scheibenräder
heute in > Sandwichbauweise hergestellt: Auf jeder Laufradseite wird dabei eine
3-6 mm dicke Schaumstoffscheibe beidseitig von einer Kevlar- oder Carbonlage
abgedeckt.

Um möglichst viele Carbon- oder Kevlarfäden in Richtung Felge-Nabe zu bringen
(Kraft/Lastrichtung), werden die Scheibenräder vielfach nicht mehr aus
Komplettlagen von Fasergeweben hergestellt, sondern aus kuchenstückähnlichen
Gewebeteilen zusammengesetzt.

Noch carbonspezifischer sind die Scheiben von > Ultec konzipiert, bei denen 104
Carbonfäden Ähnlich wie beim Speichenrad zwichen Nabe und Felge gespannt sind
und von einer dünnen Glasfasergewebematte abgedeckt werden.

V.a. durch die Nachfrage der Triathleten nach Drahtreifen-Scheiben wurden die
anfänglich nur für > Schlauchreifen hergestellten Scheibenräder auch in dieser
Version gefertigt. Bis heute haben sich hierbei zwei Verfahren parallel
zueinander etabliert: 1.) eine herkämmliche Drahtreifenfelge wird in das
Scheibenrad einlaminiert (was übrigens einige Hersteller auch bei der
Schlauchreifenversion machen, s. Anmerkung); 2.) die > Felgenhörner werden
gleich aus der Bremsfläche des Scheibenrades ausgebildet.

Anmerkung: Bei Scheibenrädern wird i.d.R. auf der Carbonfläche gebremst, die
sich übrigens als sehr widerstandsfähig gegen Abrieb durch den Bremsgummi
erwiesen hat. Carbon leitet allerdings die Wärme weit weniger gut ab als
beispielsweise die üblichen Aluminiumfelgen, wodurch es bei langen Bremsstrecken
zur Überhitzung der Bremsgummis und damit zu deren verstärktem Verschleiß kommt.

Dies ist übrigens ein Grund für manche Hersteller, auch in
Schlauchreifenscheiben herkömmliche Felgen zu integrieren.

Scheibenräder haben zur Sonderanfertigung von > Naben geführt, wobei entweder
die > Lagerschalen oder > Industriekugellager gleich in den Carbonkörper
eingesetzt werden, oder mittels spezieller Klebeflansche eine intensivere
Kontaktierung zwischen > Flansch und Scheibe hergestellt wird. Darüberhinaus
kamen auch hier (Mavic) bereits Patronenlagerungen zum Einsatz, wodurch übrigens
per Austausch der Naben ein Hinterrad- in ein Vorderrad konvertiert werden kann
oder umgekehrt.



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Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000