Zurück | Weiter | Inhaltsübersicht

Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

ANTRIEB

Mechanik zur Übertragung der muskulären Kraft des Radlers aufs > Antriebsrad
(s.a. > Antriebsdrehmoment).

Vgl. aber auch die Begriffsverwendung bei Freilaufausführungen: > Konus-, >
Sperrklinken, > Walzenantrieb.

        Kurbelantrieb
Antriebsart, bei der eine > Tretkurbel die pleuelartige Bewegung des
Unterschenkels (s. Skizze) unmittelbar in eine Rotationsbewegung umsetzt.

Anmerkung: Auch die weiter unten beschriebenen Linearantriebe bedienen sich
häufig einer Kurbel, die jedoch nicht die Krafteinleitstelle ist, sondern als
zwischengeschaltetes Element die Pendel- oder Ruderbewegungen der
Krafteinleitung per Pleuelstange und Kurbel in Rotationsbewegung umsetzen.

Die unmittelbare Umsetzung der Antriebsenergie durch die Tretkurbeln hat sich
als ökonomischste Antriebsart des muskelkraftbetriebenen Zweirades erwiesen.

Unter ergonomischen Gesichtspunkten ist es hierbei unwesentlich, ob die
Antriebsenergie direkt (> Hochrad) oder per Kette, Riemen bzw. Kardanwelle auf
das Antriebsrad übertragen wird. Grund: Optimaler Bewegungsfluß der Beine, da
keine Bewegungsunterbrechnungen im Trittablauf auftreten (wie bei
Linearantrieben, s.u.). Zur Historie s. > Kurbelantrieb.

                Vorderrad-
                antrieb
Ursprüngliche, direkte Antriebsvorrichtung für Fahrräder (s. > Direktantrieb; >
Kurbelfahrrad; > Michauline) (BILD 81) wobei mit einer > Tretkurbel das gesamte
Vorderrad gedreht wurde. Problem: Pro Kurbelumdrehung war der zurückgelegte Weg
zu klein, weshalb die Übersetzungsproblematik in die Sackgasse des > Hochrades
führte (s.a.d.). Versuche mit mechanischer Antriebsübersetzung blieben
unbefriedigend ("Kangaroo" 1884, BILD 82) und wurden durch das gleichzeitige
Aufkommen des > Niederrades obsolet, dessen Hinterradantrieb das
Übersetzungsproblem elegant und endgültig löste (BILD 83: frühes "Safety" von
Lawson).

Zur Vermeidung übergroßer > Kettenlängen wird heute übrigens bei > Liegerädern
hin und wieder auf Vorderradantrieb zurückgegriffen, unter Verwendung moderner
Schaltanlagen freilich.

                Hinterrad-
                Antrieb
Mit der Verbindung eines an der Tretkurbel befestigten großen > Kettenblatt und
einem kleineren an der Hinterradnabe applizierten > Ritzel löste das Niederrad
das Übersetzungsproblem und konnte mit zwei gleichgroßen > Laufrädern gebaut
werden.

Vorteile: Es gelangen keine Antriebskräfte in die Lenkung wie beim Hochrad z.B.,
außerdem ist die > Traktion günstiger (höherer > Anpreßdruck auf dem
Antriebsrad). Entscheidend ist jedoch die problemlose mechanische > Übersetzung
der > Pedalkraft mittles unterschiedlich großer Kettenräder an Tretkurbel (groß)
und Hinterradnabe (klein).

Dieses nach wie vor optimale Antriebsprinzip fürs Fahrrad setzte sich mit dem
Siegeszug des Niederrades gegenüber dem vorderradbetriebenen Hochrad durch und
wird heute bis auf wenige Ausnahmen bei sämtlichen Fahrradtypen angewandt.

                Triebmittel
Für den Antrieb muß die Distanz zwischen > Tretlager und Hinterradnabe
überbrückt werden. Dazu wurden anfänglich Zahnradaneinanderreihungen benutzt,
später haben sich v.a. Kette, Zahnriemen und Kardanwelle bewährt:

Kettenantrieb: Das Antriebselement Kette beherrscht nahezu monopolistisch den
Fahrradmarkt (BILD 84+85: moderner Kettenantrieb mit > Umwerfer und >
Schaltwerk). Dies spiegelt die Vorteile des Kettenantriebs wider:

* Hoher > Wirkungsgrad von 98-99%;
* hohe Kraftübertragung;
* geringes Gewicht;
* ermöglicht die effinzienteste Schalt-
  anlage (> Kettenschaltung).

Ein modernes Ketten-"Getriebe" wiegt mit allen seinen Bestandteilen - Tretlager,
Kurbeln, Kette, Ritzel, Schaltung - nur rund 1 kg und überträgt dennoch enorme >
Antriebsmomente (bis zu 500 Nm).

Die Vorzüge des Kettenantriebs gegenüber den anderen Übertragungsarten werden
zwar mit einem vergleichsweise hohen Wartungsaufwand erkauft (verschmutzt
leicht; Kettenwechsel ca. alle 2000 km empfehlenswert), wiegen diesen Nachteil
jedoch speziell für sportlich orientierte Radler bei weitem auf.

Weitere Einzelheiten s. > Kettenantrieb.

Zahnriemenantrieb: Statt der Kette verbindet hier ein mit Nocken versehener
Keilriemen eine vordere und eine hintere Riemenscheibe (analog > Kettenblatt und
> Ritzel), BILD 86+87.

Dieser Alternativantrieb kommt mit einem > Wirkungsgrad von ca. 98 % dem
Kettenantrieb am nächsten. Er läuft geräuschloser als dieser, verschmutzt
weniger (keine Ölschmierung) und ist am Gebrauchsrad wartungsärmer. Da er jedoch
keine so hohen > Antriebsmomente übertragen kann, ist er von vornherein für den
Rennbetrieb ungeeignet, ganz abgesehen davon, daß sich der Zahnriemen nur mit
einer > Nabenschaltung kombinieren läßt. Außerdem: teurer und schwerer, da er
einen speziellen > Hinterbau erfordert sowie eine Spannrolle, damit der Riemen
nicht durchrutscht.

Weitere Einzelheiten s. > Zahnriemenantrieb.

Kardanantrieb: Landläufige Bezeichnung eines Antriebs mittels zweier
Kegelradpaare und einer diese verbindenden > Welle, weswegen er korrekterweise
"Wellenantrieb" genannt werden müßte (BILD 88).

Der Vorteil dieser beim Auto üblichen  Antriebsart (Kardanwelle) liegt in ihrer
Wartungsarmut und der Unempfindlichkeit gegen Verschmutzung dank gekapselter
Bauweise, wobei sie übrigens vergleichbar hohe Antriebsmomente wie der
Kettenantrieb übertragen kann.

Die Nachteile liegen im etwa doppelt so hohen Gewicht gegenüber dem
Kettenantrieb und im geringen > Wirkungsgrad von ca. 90% (hohe Flankenreibung
und Axial-Lagerbelastung der Kegelzahnräder). Diese Nachteile wiegen beim
muskelbetriebenen Fahrzeug so schwer, daß sie o.g. Vorteile nicht aufwiegen
können, zumal keine handelsübliche > Schaltanlage möglich ist. Außerdem
gestaltet sich der Aus- und Einbau des Hinterrades recht schwierig.

Kein Wunder also, daß der Kardanantrieb am Fahrrad (erstmals 1882) keine große
Verbreitung fand, obwohl er in geringem Umfang immer noch eingesetzt wird.

Heutiger dt. Hersteller ist die Fa. Fendt.

        Linearantriebe
Gegenüber dem Kurbelantrieb wurden auch Antriebsmechaniken entwickelt, die durch
exakt oder annähernd linear verlaufende Pendel- oder Ruderbewegungen der Beine
und/oder der Arme die Antriebsenergie umsetzen (BILD 89+90). Daher auch die
Bezeichnungen Pendel- bzw. Ruderantrieb.

Linearantriebe erreichen nicht die Effizienz von Kurbelantrieben, weil der
"doppelte > Totpunkt" (Abstoppen und Umkehrung der Antriebsbewegung) den
Bewegungsfluß ständig unterbricht. Hinzu kommt neben höherem Gewicht generell
höherer mechanischer Aufwand  durch Ratschen (BILD 91), Seile, Seilrollen usw.

Aller physikalischen und praktischen Erfahrung zum Trotz wurden immer wieder
Versuche mit Linearantrieben unternommen, die aber auf dem Markt stets
chancenlos blieben.

Anmerkung: Obwohl beim Ruderantrieb Bein-, Bauch-, Arm- und Rückenmuskulatur zur
Fortbewegung eingesetzt wird, ist man damit interessanterweise auf Dauer nicht
schneller als mit einem herkömmlichen Fahrrad. Ursache: Die menschliche
Dauerleistungsfähigkeit wird von seiner Kreislaufkapazität (Organkraft) und
nicht von der eingesetzten Muskelmasse begrenzt. Für kurzfristige Leistungen
allerdings hat der Ruderantrieb genauso wie der Zusatz-Handantrieb (s.u.)
Vorteile - bis die Muskulatur übersäuert.

Weitere Informationen s. > Linearantrieb.

        Sonderantriebe
Aus der schier unbegrenzten Fülle der Möglichkeiten, Körperbewegungen zum
Antrieb eines Fahrrades zu nutzen, seien hier noch folgende "Sonderlinge"
genannt:

                Reitantrieb
Das Hinterrad wird durch Vielgelenkbögen und Exzenter angetrieben. Da sich
hierbei (Winkelbewegung der Gelenkbögen) die Fahrerhaltung ständig verändert,
entsteht ein reitähnlicher Bewegungsfluß.

Die vom Erfinder erhoffte Effizienz konnte nicht erreicht werden, mit
Reitantrieb ausgestattete Fahrräder werden aber gelegentlich als "Funbike"
genutzt (z.B. in Freizeitparks) und sind eher als Ganzkörpergymnastikgerät denn
als Fortbewegungsmittel einzustufen.

                "Omnimobil"
Von einem chinesischen Studenten auf der > IFMA '92 vorgestelltes > Sesselrad,
das mit einer Vielzahl von Antriebsarten ausgestattet ist, die gleichzeitig oder
unabhängig voneinander genutzt werden können. Das Fahrrad kann sowohl durch
Vorwärts- wie Rückwärtstreten, durch Pendelbewegung und Handantrieb angetrieben
werden.

Beim Omnimobil ist weniger die erreichbare Geschwindigkeit das Ziel, sondern die
ganzheitliche Bewegungsmultiplizität.

                Handantrieb
Von Armkraft betätigter Kurbel- oder Linearantrieb, um Behinderten (Lähmung des
Gehapparats) Mobilität zu verleihen. Hierbei ist er alleiniger Antrieb, wird
aber auch als Zusatzantrieb bei manchen > HPV-Rädern oder "Funbikes" eingesetzt
(BILD 92).

                Allradantrieb
Obwohl bei hohen Antrittsmomenten das Vorderrad beim Fahrrad ohnehin zum Abheben
neigt, sind auch hier schon Versuche mit Allradantrieben gemacht worden, die die
Geländegängigkeit des > MTB erhöhen sollten.



Zurück | Weiter | Inhaltsübersicht

Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

 


Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000