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Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

BREMSEN

1. das Bremsen, s. > Bremsvorgang.

2. die Bremsen (Mehrzahl), also die verschiedenen am Fahrrad zur Anwendung
kommenden Verzögerungsmechanismen.

Um die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs zu verzögern, bedient man sich genau
dessen, was im normalen Fahrbetrieb höchst unerwünscht ist, der > Reibung. Sie
verwandelt - physikalisch gesehen - > kinetische Energie in > Reibungswärme,
wodurch der Vorwärtsdrang des Vehikels gewissermaßen "abgefackelt" und dadurch
gedrosselt wird.

Durchgesetzt als Fahrradbremsen haben sich mechanisch oder hydraulisch betätigte
Apparaturen, deren Reibfläche entweder am Fahrrad bereits vorhanden ist oder
aber eigens montiert sein muß:

* Reibung mittels zweier > Bremsgummis an
  der Felge.

* Reibung mit > Bremsbelägen in einer
  Trommel bzw. an einer Scheibe, die in/an
  der Nabe montiert sind.

* Reibung per Gummiklotz o.ä. auf dem
  Reifen (älteste Bremse).

Die > StVZO Paragr. 65 schreibt vor: "Fahrräder müssen zwei voneinander
unabhängige Bremsen haben."
        Felgenbremsen
Prinzip: > Felge wird von zwei > Bremsgummis "in die Zange" genommen.

Die Beliebtheit der Felgenbremse erklärt sich aus ihrer Einfachheit bei
gleichzeitig guter Wirksamkeit. Sie kann im Prinzip  als eine Art >
Scheibenbremse betrachtet werden, wobei die Felgenflanken als Brems-"Scheibe"
dienen.

Das große Plus der Felgenbremsen: Sie wirken direkt an der Laufradperipherie.

Die Bremskraft muß also nicht wie bei > Nabenbremsen über die Speichen und
Felgen auf die Reifen übertragen werden, sondern wirken unmittelbar auf sie.

Probleme gibt es mit Felgenbremsen v.a. bei Nässe, weil sie die Reibung zwischen
Bremsgummi und Felge verringert. > Aluminium-Felgen erbringen gegenüber >
Stahl-Felgen eine bessere > Bremswirkung bei Nässe. Weitere Verbesserungen
lassen sich durch eine angerauhte Felgenoberfläche oder eine >
Keramikbeschichtung der Bremsflächen sowie die Verwendung spezieller >
Naßbremsgummis erzielen. Weitere Einzelheiten s. > Naßbremsung.

Ein weiteres Problem bei Felgenbremsen kann durch geringfügige Unterschiede der
Felgenbreite (bes. am > Felgenstoß) auftreten: Die Bremswirkung Ändert sich
rhythmisch mit der Radumdrehung und kann zum > Brems- oder sogar zum >
Gabelflattern führen.

                Seitenzug-
                bremse
Einfachste Bauart von Bremsen nach Art einer Zange. Die Außenhülle des >
Bowdenzugs wird einseitig ohne > Kabelstopper angebracht, daher einfache
Zugverlegung und Montage.

Im Rennradbereich ist die Seitenzugbremse der vorherrschende Bremstyp, sie ist
sehr wirkungsvoll, wenn das sog. > Bremsmaß klein gehalten ist. Nur dann sind
erstens gute Hebelverhältnisse gegeben, zweitens besteht keine Verwindungs-,
sprich Flattergefahr für die Bremse.

Faustregel: Seitenzugbremsen nur bis zu einem Bremsmaß von 55 mm einsetzen.

Die bis in die 80er Jahre gebauten Seitenzugbremsen für Alltagsräder mit
Schenkellängen von sogar über 100 mm (schlechte Hebelverhältnisse) zeigten zu
geringe Wirkung. Nicht selten endete der erste herzhafte Bremsversuch sogar mit
verbogenen Bremsschenkeln.

Durch > Axialkugellager zwischen den beiden Bremsarmen wurde die Seitenzugbremse
Mitte der 80er Jahre optimiert. Sie konnte nun spiel- und damit flatterfrei
eingestellt werden. Außerdem reduzierten sich die Betätigungskräfte um ca. 6%,
wodurch 1.) ein gefühlvolles, wohldosiertes Bremsen ermöglicht wurde und 2.) die
> Bremskraft ebenso um ca. 6% gesteigert werden konnte.

SLR-Bremse: Variation der Seitenzugbremse von Shimano: Ein separates Drehgelenk
verbessert die Hebelverhältnisse und damit die > Bremskraft zu Lasten des
Bremsbetätigungsweges (Schwenkweite der Bremsgummis).

Diese doppelt gelagerte Seitenzugbremse wird mittlerweile auch von anderen
Herstellern angeboten.

                Mittelzug-
                bremse
Häufigste Bauart von Felgenbremsen: Zwei separate > Bremsarme mit jeweils
eigener > Lagerung werden über ein mittels > Kabelteiler "gespreiztes" Seil
betätigt.

Grundsätzlich können bei dieser symmetrischen Bauweise die Hebelverhältnisse
effizienter als bei der Seitenzugbremse ausgelegt werden, da jeder Bremsarm sein
eigenes Drehgelenk besitzt.  Deren geometrische Anbringung in Form eines >
Bremssockels bzw. > Drehbolzens bestimmt die Hebelverhältnisse der
Mittelzugbremse.

Umständlicher als bei der Seitenzugbremse ist dagegen die Adaption des >
Bowdenzuges: Die Außenhülle muß am Rahmen mit einem > Kabelstopper fixiert, der
Innenzug über einen > Kabelteiler zu den Bremsarmen geleitet werden.

Die Mittelzugbremse ist der variantenreichste Bremsentyp und tritt in fünf
verschiedenen Formen auf:

Konventionelle Mittelzugbremse: Die Drehgelenke liegen oberhalb der Felge, die >
Drehbolzen sind bei der allgemein üblichen Mittelzugbremse auf einem
höhenverstellbaren Joch angebracht, das wie die Seitenzugbremse im > Gabelkopf
bzw. hinteren > Bremssteg befestigt ist. Bei der frz. Bauweise werden separate >
Bremssockel auf den Rahmen gelötet.

Die Bremswirkung richtet sich nach den Abständen der Bremsgummis von den
Drehgelenken und kann mittelmäßig bis gut ausfallen.

U-Brake: Besonders fleischig ausgelegte Mittelzugbremse mit Drehgelenk oberhalb
der Felge. Sie benötigt separat angelötete > Anlötsockel von 9 mm Durchmesser,
wobei die hintere Bremse ursprünglich unter den > Unterstreben montiert war.

Dieser ursprüngliche Anbringunsort hat sich in der Praxis nicht bewährt, da
erstens dort erhöhte Verschmutzungs- und Beschädigungsgefahr bestand und
zweitens das Hinterrad bei kräftigem > Wiegetritt genau an dieser Stelle
seitlich ausgelenkt wird und dann ungewollte Bremsungen auslöste.

Diese Nachteile, eine umständliche Wartung sowie ihr hohes Gewicht haben die
U-Brake wieder weitgehend vom Markt verdrängt.

Roller Brake: Auf U-Brake-Sockel montierbare, mittlerweile ausgestorbene
Bremsenspezies (bis um 1990 hergestellt), bei der ein trapezförmiges Blech vom
Innenzug nach oben gezogen wurde. Mit dieser Bewegung spreizte das Blech zwei
separat um die Anlötsockel schwenkbare Bremsarme nach außen, an deren unterem
Ende die Bremsgummis vor die Felgen drückten. Zur Reibungsminderung war das
Blech auf zwei am oberen Ende der Bremsarme angebrachten Rollen gelagert, daher
der Name Roller Brake.

Cantilever-Bremse: Auch > Kipphebelbremse genannter Felgenbremstyp, dessen Name
sich von engl. cantilever "freitragend; Kragträger" ableitet. Ihre Drehgelenke
befinden sich charakteristischerweise unterhalb der Felgenhöhe.

Wie die konventionelle Mittelzugbremse frz. Bauweise benötigt die
Cantilever-Bremse separate, auf den Rahmen gelötete > Anlötsockel (Durchmesser 8
mm).

Dieser Bremstyp wurde früher fast ausschließlich am > Querfeldeinrad benutzt
(freier Raddurchlauf schützt vor Blockieren durch Verschlammung). Mit dem
Aufkommen des > Mountainbikes entdeckte man diese Bremse wieder, integrierte die
> Rückholfeder und dichtete noch die Drehgelenke ab (gekapselte Bauweise).

Ferner ist mindestens einer der beiden Bremsarme justierbar, so daß sich die
Bremse im Gegensatz zur Ur-Bauweise immer mittig zur Felge ausgerichten läßt.

Seildreieck: Inzwischen wurden auch die Hebelverhältnisse sowie die Stellung des
Seildreiecks optimiert, wodurch die Cantileverbremse in ihren modernen
Ausführungen letztlich zur wirkungsvollsten Felgenbremse wurde.

Low Profile: Hier legen sich die Bremsarme fast parallel zum Reifen (stehen also
kaum noch ab), so daß bei dieser sog. "Low-Profile-Bremse" keine
Verletzungsgefahr bzw. Kontakt mit Radtaschen mehr besteht wie bei den
ursprünglichen Modellen.

Bei diesen fast parallel zum Rahmen liegenden Bremsarmen unterliegen die
Hebelverhältnisse der Seilbetätigung einer Art ziehendem > Kniehebelprinzip
(weitere Informationen s.d.), wodurch sie mit zunehmendem Betätigungsweg
ungünstigere Hebelverhältnisse und damit eine geringere Bremswirkung bekommen.

V-Brake: In ihrer neuesten Entwicklung wurden die Bremsarme noch höher über den
Reifen hinaus gezogen und die Betätigung erfolgt durch einfaches Zusammenziehen
der beiden Bremsschenkel. Die Gefahr des Abgleitens der Bremsgummis von der
Felgenkante wird bei Topmodellen durch eine Parallelogrammführung der
Bremsgummis weitgehend vermieden.

Die Bremswirkung der V-Brake übertrifft die aller anderen mechanischen
Felgenbremsen, so daß - nach einigen Bremsunfällen – a) spezielle Bremsgriffe
mit längerem Abstand der Bremsseileinhängung zum Drehpunkt des Bremshebels sowie
b) sogenannte Powermodulatoren > Bremskraftbegrenzungen eingesetzt werden.

Delta-Bremse: Mittels > Kniehebelsystem betätigte Sonderform der
Mittelzugbremse.

Die Wirkung (Hebelverhältnisse) hängt von der Winkelstellung des Kniegelenks ab,
woraus sich eine progressive Bremswirkung ergibt (Zusammenhänge s. >
Kniehebelprinzip).

Für die Praxis heißt das: Die Wirkung der Delta-Bremse ist von Felgenbreite und
Dicke des Bremsgummis bzw. dessen Verschleißgrad abhängig (je näher die
Bremsgummis zusammengehen, desto höher wird die erzielbare Bremskraft).

Die Anpassung an die unterschiedlichen > Bremsmaße der Rennräder wird bei der
Delta-Bremse durch Höhenverstellung des gesamten Gehäuses bewirkt - dadurch
ändert sich bei Variation des Bremsmaßes nicht die Bremswirkung.

Nicht gerade montagefreundlich ist das Befestigen und richtige Ablängen des
Innenzuges. Neben hohem Preis und Gewicht sicher ein Grund dafür, daß die
Delta-Bremse keine weitere Verbreitung fand.

        Sonder-
        Felgenbremsen
Außer diesen einfachen, bewährten bzw. veralteten Felgenbremsen, gibt es noch
solche, die in ihrem Funktionsprinzip hiervon abweichen:

                Hydraulik-
                bremse
Nach dem Prinzip der Autobremsen mit Öldruck arbeitende Felgenbremse. Sie wurde
1987 von der schwäbischen Fa. Magura mit großem Erfolg zunächst an >
Gebrauchsräden, später an > Mountainbikes eingeführt und 1992 von einer Version
fürs > Rennrad ergänzt.

Pinzip: Über einen Hebel wird ein Kolben in den sog. Geberzylinder (s.a. >
Bremsgriff: Rennlenker) eingedrückt, der ein inkompressibles Medium
(Flüssigkeit, meistens Öl) durch eine Leitung zu sog. Nehmerzylindern drückt.

Dort kehrt sich das Prinzip um: Die Zylinder werden herausgedrückt und pressen
so die Bremsgummis unmittelbar an die Felge oder indirekt über ein Hebelsystem
(Rennradbremse).

Rein Äußerlich gleicht die Kunststoff-Hydraulikleitung einem > Bowdenzug und
kann auch wie dieser am Rahmen entlang oder durch ihn hindurch verlegt werden.

Vorteile: Im Unterschied zum Bowdenzug arbeitet die Hydraulik fast ohne
Reibungsverluste, wodurch diese Bremsen sehr gut dosierbar sind. Das Verhältnis
der eingesetzten Handkraft zur resultierenden Bremskraft ist darüberhinaus
unabhängig von den Biegeradien der Bremsleitungsverlegung.

Der > Wirkungsgrad gegenüber mechanischer Kraftübertragung wird verbessert und
bleibt auch nach längerer Betriebszeit fast gleich. Außerdem können
Außeneinflüsse keine Verschlechterung verursachen, wie beim Bowdenzug üblich
(z.B. Rostansatz nach längeren Regenfahrten).

Leichter Bremsklotzaustausch, indem die alten Klötze einfach aus ihrer Rasterung
heraus gezogen und die neuen dort eingeklipst werden.

Mit Zusatzbestückung bieten sich zwei weitere Vorteile der Hydraulikbremse: Für
jede Bremse kann ein zweiter > Bremsgriff montiert werden (s.d.), außerdem läßt
sich ein Bremskraftbegrenzungszylinder anschließen, um Laufradblockaden zu
vermeiden, s. > Bremskraftbegrenzung.

Beliebt sind Hydraulikbremsen auch aufgrund ihrer weitgehenden Wartungsfreiheit.

Allerdings kann es durch die erhöhte Schmutzbelastung beim Mountainbike-Einsatz
im Laufe der Zeit zu Undichtigkeiten am Nehmerzylinder kommen, der dann
ausgetauscht werden muß.

Zerlegen, Entlüften und Öl nachfüllen sind sehr selten vorkommende
Wartungsarbeiten und mit einem Service-Set und diesem beiliegender Anleitung
leicht durchzuführen.

Heute offerieren mehrere Hersteller Kombinationen von mechanischen und
hydraulischen Bremsen. Die Zugbetätigung erfolgt weiterhin per Bowdenzug, die
eigentliche Bremsbetätigung hydraulisch. Damit können können herkömmliche
Bremsgriff/Schalthebel-Kombinationen beibehalten werden und die Dosierbarkeit
der Bremsanlage verbessert sich geringfügig.

                Spindelbremse
Sonderform der Felgenbremse, bei der die Bremsgummis von einer Schraubenspindel
(> Bewegungsgewinde) an die Felge gedrückt werden.

Vorteil:  hohe Bremswirkung;
Nachteil: schlechte Dosierbarkeit infolge hoher
          Spindelübersetzung.

Die Marktbedeutung blieb marginal, zumal diese Bremse das Pech hatte, fast
gleichzeitig mit der Hydraulikbremse auf den Markt zu kommen, die den Vorteil
hoher Bremswirkung ohne den Nachteil schlechter Dosierbarkeit brachte.

                "Gummibremse"
Die Bremsarme von Felgenbremsen schwenken nur wenige Millimeter um ihr
Drehgelenk herum. Sie können daher auch statt der üblichen > Gleitlagerung in
Gummielementen schwenken. Entsprechend vorgespannt fungieren diese zusätzlich
als > Rückholfedern.

Diese Konstruktion ist unempfindlich gegen eindringenden Schmutz und weniger
wartungsbedürftig als herkömmliche Bremslagerungen. Ein weiterer Vorzug ist das
viel weichere Ansprechverhalten der gummigelagerten Bremse, zudem wirkt sie
(degressives Bremsverhalten durch Ausweichen der Bremsgelenke) wie eine >
Bremskraftbegrenzung und verhindert damit recht zuverlässig die Totalblockade
des verzögerten Rades.

Im Prinzip lassen sich alle Felgenbremsen derartig lagern, zur Ausführung
gekommen sind bisher Cantilever und U-Brake von der Firma Point (1992). Die
Erfindung geht auf den Reiseradler und Tüftler Jörgen Erichsen (1991) zurück,
setzt sich auf dem Markt aber nur sehr zögerlich durch.

        Nabenbremsen
In die > Nabe integrierte oder an der Nabe befestigte Bremse.

Anders als bei den an der Peripherie des Laufrades angreifenden Felgenbremsen
(Bremskraft wird unmittelbar an Reifen weitergeleitet), gelangt die Bremskraft
bei Nabenbremsen erst über die Speichen und Felgen an die Reifen. Beim Bremsen
entsteht hierdurch eine zusätzliche Speichenbelastung. Sie kann durch
4-fach-Kreuzung (s. > Einspeicharten) bei normalen 36-Speichen-Laufrädern am
besten aufgenommen werden.

Nabenbremsen erzeugen durch ihre > Bremsreibung ein > Drehmoment, welches
mittels > Bremsausleger an eine > Unter- oder > Sattelstrebe des > Hinterbaus
bzw. bei Vorderradnabenbremsen an ein > Gabelbein weitergegeben und so
kompensiert wird. Nabenbremse benötigen daher besonders biegesteife Gabeln bzw.

Hinterbaustreben.

Früher begnügte man sich damit, für Trommelbremsen geeignete Gabeln mit einem
"T" zu kennzeichnen. Das reicht bei der Wirksamkeit der inzwischen entwickelten
modernen Scheibenbremsen u.U. nicht mehr aus, zumal eine am Hinterrad montierte
Scheibenbremse das Drehmoment auf die weniger biegesteife Sattelstrebe
weiterleitet. Aus diesem Grunde gelten heute folgende, von dem Rahmen zu
absorbierende Mindestdrehmomente: Gabelbeine 5.000 Nm (s. > physikalische
Definitionen), Hinterbaustreben 3.000 Nm.

Als Faustregel für Stahlrohrrahmen kann gelten: Mindestdurchmesser der
Gabelbeine am > Ausfallende 18 mm, der Sattelstreben 14 mm.

Wegen ihres höheren Gewichts findet man Nabenbremsen nicht am Rennrad. Sie sind
jedoch am > Alltagsrad unter Sicherheitsaspekten v.a. in den kälteren und
feuchteren Jahreszeiten durchaus sinnvoll: Schlechtes > Naßbremsverhalten wie
bei Felgenbremsen, sowie das Vereisen von Felgen und Bremsgummis ist für
Nabenbremsen kein Thema, sie versehen ihren Dienst im wahrsten Sinne des Wortes
bei Wind und Wetter.

Nachteilig freilich ist die Überhitzungsanfälligkeit von Nabenbremsen bei langen
Bergabfahrten, v.a. mit Gepäck (Ausnahme: Scheibenbremsen, s.u.)
                Rücktritt-
                bremse
Sie war die erste serienmäßig hergestellte Nabenbremse (1903 von Ernst Sachs
erfunden):

Funktion: Durch Rückwärtstreten wird über die Kette das Ritzel entgegen der
Raddrehrichtung bewegt. Hierdurch wird über Schrägen oder Rollen ein >
Bremsmantel von innen gegen den Nabenkörper gedrückt. An dieser Bauweise hat
sich bis heute nichts geändert.

Eigenheiten:

1. Der Rücktritt gilt als betriebssicherste Bremse:

Bei einer Stichprobe der TH Aachen (1983) an > Gebrauchsrädern waren 97% aller
Rücktrittbremsen funktionstüchtig - gegenüber nur 40% der mit > Bowdenzug
betätigten Felgenbremsen! Vor allem am Kinder- und Jugendrad gibt die
Rücktrittbremse daher Eltern das gute Gefühl, ihre Sprößlinge auf der sicheren
Seite zu wissen.

Anmerkung: Zu beachten ist, daß sich Kinder mangels Beinkraft häufig einen
optimalen Bremspunkt angewöhnt haben und dann in Gefahrensituationen u.U. bis zu
einer 3/4 Umdrehung weitertreten müssen, um ihre Brems-Kurbelstellung zu
erreichen. Diese Angewohnheit ist leider auch bei manchen Erwachsenen
anzutreffen.

2. Die Bremswirkung des Rücktritts kann als mittelmäßig bezeichnet werden, sie
erhöht sich allerdings (Ausnahme Shimano) bei Verwendung einer > Nabenschaltung
infolge günstigerer Hebelverhältnisse beim Einschalten von Berggängen, reduziert
sich aber aus gleichem Grunde in den Schnellgängen.

Tip: Bei sehr steilen Abfahrten sollte daher aus Sicherheitsgründen in den
Berggang geschaltet werden!
3. Bei längeren Bergabfahrten kann es infolge zu starker Erwärmung zum
Nachlassen der Bremswirkung kommen.

Tip: Zur Sicherheit daher im Wechsel mit der Vorderradbremse bremsen.

                Trommelbremse
Die aus dem Motorradbereich übernommene Trommelbremse - auch "Innenbackenbremse"
genannt - wurde bereits vor dem 2. Weltkrieg auch an Fahrrädern montiert, hat
sich aber wegen ihres vergleichsweise hohen Preises und Gewichtes nicht auf
breiter Front durchsetzen können.

Fast schon Standard ist sie allerdings am Tandem als zusätzliche, nicht auf die
Felgen wirkende Bremse.

Funktion: Ein stark ovalisierter Zapfen drückt zwei > Bremsbacken auseinander,
die hierdurch gegen einen zentrisch darüber liegenden > Bremsmantel gepreßt
werden.

Die > Bremswirkung ist mittelmäßig bis gut und hängt vom Durchmesser der >
Bremstrommel im Verhältnis zum Laufraddurchmesser sowie von der Anpreßkraft der
> Bremsbeläge ab (Hebelübersetzung von > Bremsgriff und Betätigungshebel an der
Bremse).

Übrigens bremst die auflaufende Bremsbacke intensiver als die ablaufende, da
sich eine Komponente der Reibungskräfte zur Betätigungskraft hinzuaddiert. Mit
einem sog. Synchronisiermechanismus (s.u. "aufschraubbare Trommelbremse" von
Primus) kann dieser Nachteil jedoch weitgehend ausgeglichen werden.

Bei den früher (z.T. bis in die 70er Jahre) in die Nabe integrierten,
"trommelartigen" - daher der Name - Konstruktionen dieser Bremse kam es bei
langen Bergabfahrten immer wieder zur Überhitzung (Verlust der Bremswirkung,
"Auskochen" des Lagerfetts). Moderne, kelchartige Formen (s. Abb.) vergrößern
die Wärmeabstrahlfläche und mindern so die Überhitzungsgefahr.

Aufschraubbare Trommelbremsen: Eine interessante Variante sind die auf die Nabe
aufschraubbaren Primus-Trommelbremsen, bei denen die Bremstrommel auf ein
separates Nabengewinde geschraubt wird.

Fürs Hinterrad Sondernabe erforderlich. Fürs Vorderrad Hinterradnabe verwenden
(Bremstrommel wird auf Schraubkranzgewinde gedreht). Die Achsbreite muß
allerdings gekürzt werden und die Bremse auf die linke Seite montiert werden, um
sich nicht vom Gewinde herunterzudrehen.

Diese Bauart besitzt den Vorteil, daß nur über das Aufschraubgewinde ein
Wärmefluß zur eigentlichen Nabe besteht, wodurch sich die Überhitzungsgefahr für
das Nabenlager (Auskochen des Lagerfetts) deutlich mindert. Weitere technische
Feinheit dieser Bremse: Durch einen Synchronisiermechanismus (verschiebbares
Gelenk) bremsen beide Bremsbacken in etwa gleich stark.

                Scheibenbremse
Eine seitlich an der Nabe angebrachte, dünne > Bremsscheibe wird beidseitig von
Bremsbacken  "in die Zange" genommen. Diese werden vom > Bremssattel gehalten
und hydraulisch oder mechanisch betätigt.

Im Zuge des modischen Transfers aus dem Motorradbereich haben sich
Scheibenbremsen vor allem bei prestigeträchtigen > Mountainbikes etabliert.

Scheibenbremsen werden an speziellen > Scheibenbremsnaben angebracht
(Übertragung des > Drehmoments auf Nabe und Speichen) und warten daher i.d.R.

mit vergrößertem Durchmesser der > Flansche auf, um die Speichen nicht zu hoch
zu belasten.

Wie bei der Trommelbremse ist sicherzustellen, daß die entsprechenden
Rahmenelemente (Gabelbeine bzw. Hinterbaustreben) den oben angegebenen
Mindestdrehmomenten standhalten.

Die Bremswirkung von Scheibenbremsen ist als gut bis sehr gut zu gezeichnen,
kann aber durch den Einbau von Leichtscheiben aus unbeschichtetem > Aluminium
oder > Carbon u.U. gemindert sein.

Die Wärmebelastbarkeit der Scheibenbremsen ist deutlich höher als die von
Trommelbremsen, ihre Wärmeabstahlung durch die freistehende Bauweise mit großer
Oberfläche entschieden günstiger. Trotzdem kann es bei sehr langen Abfahrten zum
Nachlassen der Bremswirkung (> Fading) kommen.

Dafür hat man den Vorteil, daß sich die Felgen und Reifen nicht erhitzen, das >
Reifenwandern also in weitaus geringerem Maße auftritt als bei Felgenbremsen.

Da Bremsscheiben sehr präzise gefertigt werden, ist bei der Scheibenbremse >
Brems- oder gar > Gabelflattern nahezu ausgeschlossen.

Betätigt werden Scheibenbremsen über > Bowdenzüge, hydraulisch oder mittels
Kombinationen von beiden. Darüberhinaus sind Bauweisen realisiert, die eine
Nachrüstung auf Scheibenbremsen ohne > Anlötteile ermöglichen und solche, die
spezielle Anlötsockel erfordern, und seit 1998 einer internationalen Norm
entsprechen.

Genau genommen ist auch die Felgenbremse eine Art Scheibenbremse, wobei die
"Scheibe" (Felgenflanke) sogar an der effektivsten Stelle liegt, der Peripherie
des Laufrades: Daher muß die Bremskraft nicht erst von den Speichen
"vermittelnd" übertragen werden, wie bei der echten, im Zentrum des Laufrades
agierenden Scheibenbremse.

                Rollenbremse
Sonderform der Nabenbremse (Hersteller: > Shimano), die analog dem >
Rollenantrieb der > Torpedo-Freilaufnabe funktioniert, aber über Handhebel und >
Bowdenzug betätigt wird: Rollen werden über eine Kurvenscheibe nach außen auf
einen speziellen > Bremsmantel gepreßt.

Wegen ihrer Unempfindlichkeit gegen Nässe und Verschmutzung wird sie manchmal an
> Mountainbikes eingesetzt, da sie bei etwa gleicher Bremswirkung ein geringerem
Gewicht besitzt als die Trommelbremse. Nachteilig ist wie bei dieser die
Überhitzungsanfälligkeit.

                Bandbremse
Eine auch "Außenbackenbremse" (i.G.z. Trommelbremse) genannte Sonderform der
Nabenbremse ohne Marktbedeutung.

Bei ihr wird eine oben flächige Scheibe entweder an die Nabe geschraubt
(insofern Ähnlich der aufschraubbaren Trommelbremse). Der Umfang der Scheibe
wird von einer Bandschleife umschlungen, wobei per Bowdenzug der
Umschlingungsdurchmesser verengt wird, was eine gute Bremswirkung erzielt.

        Gestängebremse
Klotz-, Felgen- oder Trommelbremse, bei der die Verbindung zw. > Bremsgriff und
> Bremskörper mittels einer Konstruktion aus Stäben und drehbar gelagerten
Winkeln - dem Bremsgestänge - hergestellt wird.

Diese nun üblicherweise durch den > Bowdenzug ersetzte Konstruktion war früher
Standard und ist heute v.a. noch in angelsächsischen und in Entwicklungsländern
verbreitet, wobei die Wirkungsweise (Bremsklötze drücken unter die Felge ein
flatterfreies Bremsen bewirkt - vgl. hierzu auch > Bremsflattern.

Vorteil von Gestängebremsen ist, daß sie wartungsarm, sicher und nahezu
reibungsverlustfrei sind, Nachteil ist ihr hohes Gewicht.

        Reifen- oder
        Klotzbremse
Veralteter Bremstyp, bei dem ein Gummiklotz per Gestänge oder (seltener) >
Bowdenzug vor der Gabel auf den Vorderradreifen gedrückt.

Die Wirksamkeit dieser Bremse ist unmittelbar vom Reifendruck abhängig, und
sollte selbstverständlich nicht bei stark profilierten Reifen eingesetzt werden
(Blockiergefahr).

In der Gestängeversion sind diese Bremsen wegen ihrer Betriebssicherheit und
Wartungsarmut z.T. noch heute bei Posträdern zu finden (kein Einrosten von
Bowdenzügen u.ä.).

Mit einem > Doppelbremszug können übrigens auch zwei Bremsen mittels eines
Bremsgriffs betätigt werden.



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Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

 


Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000