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Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

MOUNTAINBIKEBOOM

In den USA 1980, in Deutschland 1985/86 einsetzende und rasch um sich greifende
Popularität des > Mountainbikes.

Sie verhalf der Fahrradindustrie zu nie mehr für möglich gehaltenen
Produktionszahlen, da hier ein völlig neuer Fahrradtyp kreiert wurde, der
zugleich einen hohen modischen Prestigewert besaß. Das bedeutete, daß auf
breitester Front Neuanschaffungen getätigt wurden, wobei sowohl neue
Käuferschichten fürs Fahrrad gewonnen, als auch ein Trend zum höherwertigen Rad
vom Markt akzeptiert wurde.

Gleichzeitig war der MTB-Sektor Motor des technischen Fortschritts im
Fahrradbereich und brachte neben zeitweiligen Modeerscheinungen wie > Biopace
auch dauerhaften Neuerungen wie Rahmen mit > hochgezogener Kettenstrebe, >
Daumenschalthebel und > Indexschaltung, für die der MTB-Boom den Durchbruch
bedeutete und zur Anwendung auch an > Gebrauchsrädern führte. Hinzu kam die
Entwicklung von > Fahrradfederungen, die fast ausschließlich für Mountainbikes
entwickelt wurden. Ein Nebenprodukt des MTB-Booms war schließlich auch das >
Trekkingrad.

Die Goldgräberstimmung in der Fahrradindustrie erreichte ihren Höhepunkt 1991,
danach ebbte der Boom infolge Marktsättigung ab.

        Gründe
Für den phänomenalen Erfolg des "Velo-Jeeps" spielten das Zusammentreffen von
sinnvoller Fahrradtechnik und Zeitgeist eine Rolle: Der allgemeine Trend zu
naturnahen Freizeitformen ist hier ebenso zu nennen wie die drastische
Erleichterung des Bergauffahrens, die das Mountainbike brachte. Dadurch wurde
das Radfahren auch Leuten schmackhaft gemacht, die es zuvor für zu gefährlich
(Straßenverkehr) und/oder zu anstrengend hielten.

Mehr sportlich orientierte Radler wiederum akzeptierten die zunächst vielfach
abgelehnten Boliden, als ein organisierter Rennbetrieb entstand (s. >
MTB-Rennen). Für Jugendliche schließlich bedeutete das MTB einen nahtlosen
Übergang vom > BMX-Rad zu einer "erwachsenen" Form des Ballonreifenrades.

        MTB-Historie
Vor der durchgängigen Asphaltierung unserer Straßen waren mehr oder weniger alle
Fahrräder "geländegängig" in dem Sinne, daß sie mit dickerer Bereifung als ein
heutiges > Straßenrad ausgestattet waren.

Die Geschichte des Mountainbikes dagegen begann erst 1973, als Mountains ins
Spiel kamen - wenn auch zunächst nur bergab. Die beiden Ex-Hippies und
Amateurradrennfahrer Gary Fisher und Joe Breeze rasen zum Spaß auf fast 40 Jahre
alten, aber sehr stabilen Ballonreifenrädern die Schotterwege vom Gipfel des
Mount Tamalpais (794 m) nörlich von San Francisco runter. Bergauf wurde
geschoben bzw. man ließ sich auf der Ladefläche eines Pickups hinaufchauffieren.

Der Abfahrtsspaß spricht sich herum und gewinnt immer mehr Freunde, doch es
dauert noch drei Jahre, bis 1976 die ersten echten Wettbewerbe am Mt. Tamalpais
ausgetragen werden, in zwei- bis dreiwöchigem Turnus veranstaltete
Abfahrtsrennen, die den Namen "Repack" erhalten: Die Rücktrittbremsen der
Uraltbikes werden nämlich so stark strapaziert, daß das Lagerfett auskocht und
die Naben nach dem Zieleinlauf neu geschmiert (engl. "repack") werden müssen.

Nun setzte eine stürmische Entwicklung ein, deren Motor in gewisser Weise Gary
Fisher war: Er montierte als erster Trommelbremsen, Kettenschaltung und
Daumenschalthebel, Motorradlenker und -bremshebel beseitigten kritische
Knackpunkte der alten Clunker, Ballooner oder Bomber, wie diese Abfahrtsbikes
genannt wurden.

Sie basierten vorzugsweise auf Rahmen des zwischen 1933 und 1942 gebauten
Schwinn "Excelsior" (s. > Cruiser), doch die Bruchrate war bei den extremen
Belastungen so hoch, daß bald keine dieser stabilen Oldtimer mehr aufzutreiben
waren. Joe Breeze begann daher 1977 mit dem Bau eigener Rahmen und montiert
erstmals Cantileverbremsen. 1979 kommen leichtgewichtige 26-Zoll-Aluminiumfelgen
auf den Markt: Die Bikes wiegen jetzt um die 15 kg und haben gegenüber den
Anfängen fast 10 kg abgespeckt.

Ende 1979 war es dann wieder Gary Fisher, der den Begriff "Mountainbike" prägte,
wenn auch nur als Modellbezeichnung für von Tom Ritchey gebaute und von ihm
vertriebene Clunker. Als 1980 der Marktdurchbruch kam (Fahrradmesse Long Beach),
mauserte sich der Name der erfolgreichen Ritchey-Bikes rasch zum
Gattungsbegriff.

1981 brachte die Fa. Specialized mit dem "Stumpjumper" das erste Großserien-MTB
auf den Markt, in Japan hergestellte Kopien des Ritchey-Bikes, 1982 konzipierten
> Shimano und > Suntour die ersten MTB-Komponenten - der Boom war ins Rollen
gekommen und begann die Fahrradwelt zu revolutionieren.



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Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000