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Online-Glossar Velotechnik von Christian Smolik

STAHL

Früher Bezeichnung für die schmiedbaren und härtbaren > Legierungen von > Eisen.

Heute werden alle Eisenerzeugnisse außer Guß- und Roheisen als Stahl bezeichnet.

Stahl ist v.a. gut sowohl kalt als auch warm verformbar, daher die frühere Bez.

"schmiedbares Eisen". Die physikalischen Eigenschaften von Stahl richten sich
nach den jeweiligen Anteilen der Legierungspartner und werden daher nachfolgend
als Bereich angegeben:

               Dichte: 7,6 - 7,9 kg/dm³ (s.a. > spezifisches Gewicht);
                 Schmelzbereich: 1050 – 1400° C;
                Zugfestigkeit: 340 - 3000 N/mm²;
               Bruchdehnung: 2% - 60%;
              Elastizitätsmodul: 175.000 - 225.000 N/mm².

        Herstellung
Im Hochofen wird durch Einschmelzen von Eisenerz unter Beimengungen von
Zuschlagsstoffen Roheisen gewonnen. Hochwertige Stähle werden im Elektro-Ofen
erschmolzen, wobei vermehrt Schrott zum Einsatz kommt.

Weiterverarbeitung durch "Frischen", wobei die Eisenbegleiter Silizium, > Mangan
und Phosphor durch Luftzugabe oxydiert, also verbrannt werden  (z.B.

Siemens-Martin-, Thomas- oder Bessemer-Verfahren).

Der nächste Verarbeitungsschritt ist das Abgießen in "Kokillen". Die so
hergestellten Stahlblöcke werden nachfolgend durch Walzen zu Halbzeugen (Bleche,
Rohre, Profilstahl) geformt.

Bei Stahlguß erfolgt das Gießen in Formen, womit gleich das gewünschte Bauteil -
z.B. > Microfusions-Muffen - hergestellt ist, ggf. aber noch nachbearbeitet
werden muß.

Besonders interessant im Hinblick auf den späteren Einsatzbereich des Stahls
sind die nachfolgend beschriebenen Prozesse zum > Härten und > Vergüten des
Werkstoffs:

        Härten
Hierzu wird die Eisen-Kohlenstoff-Legierung (s.u.) über die sog.

"Gitterumwandlungs-Temperatur" hinaus erwärmt und anschließend schlagartig
abgekühlt.

Für eine deutliche Härtezunahme bei diesem Prozeß ist ein
Mindestkohlenstoffgehalt von 0,25% erforderlich. Die nötige Härtetemperatur
richtet sich vorwiegend nach dem Legierungsanteil (insbes. dem
Kohlenstoffgehalt) und liegt oberhalb von 723-911° C.

Bei diesem Prozeß findet eine Volumenreduzierung des Eisengitters statt. Genauer
ausgedrückt: Das kubisch-raumzentrierte > Kristallgitter des Eisens wird
oberhalb von 723° C in ein kubisch-flächenzentriertes Gitter verwandel. Weil
hierbei die Atome sozusagen "dichter gestapelt" werden, geht dieser Vorgang mit
einer Volumenverkleinerung einher. Sinkt die Temperatur wieder langsam ab, so
wandelt sich das Gitter wieder in seine Ausgangslage zurück, das Volumen
vergrößert sich wieder.

                Abschrecken
Wird die Temperatur jedoch schnell abgesenkt - man spricht dann vom
"Abschrecken" - haben die Atome keine Gelegenheit mehr, wieder ihre alten
Gitterplätze einzunehmen. Es entsteht eine verspannte, verzerrte Gitterstruktur,
der Stahl ist "gehärtet". Eigenschaften gehärteten Stahls: Hochfest, knallhart,
aber auch sehr spröde.

                Anlassen
Mit dem sog. > "Anlassen" läßt sich Stahl nun sozusagen entspannen und dadurch
die > Sprödigkeit beseitigen.

Dazu wird das verspannte Metall erneut auf eine genau definierte Temperatur
erwärmt und die eingeklemmten Atome bekommen etwas "Luft", diffundieren also ein
Stück in Richtung "kubisch-raumzentriertes Gitter". Der Werkstoff verliert bei
Anlaßtemperaturen von 150-200° C nur minimal an Härte und > Zugfestigkeit,
gewinnt aber erheblich an > Zähigkeit.

Anlaßtemperaturen von 300-400° C bewirken dann bereits einen deutlichen Abfall
an Härte und Festigkeit, aber eine ebenso deutliche Zunahme der > Zähigkeit.

                Vergüten
Bei noch höheren Anlaßtemperaturen (500-650° C) spricht man vom "Vergüten" des
Stahls, wobei sich die Festigkeit gegenüber dem unvergüteten Zustand in etwa
verdoppelt bis verdreifacht, die > Bruchdehnung aber geringfügiger reduziert
wird.

Beispiel: Vergüten von 24CroMo4-Rohren: Ausgangs-Zugfestigkeit 450-550 N/mm²
(durch Ziehen kaltverfestigt), vergütet 830-1200 N/mm².

Über die Höhe der Anlaßtemperatur sowie ihre Einwirkzeit lassen sich mit
Anlaßprozessen genau definierte Werkstoffeigenschaften erzielen, die exakt auf
den späteren Verwendungszweck zugeschnitten werden können.

        Einfluß der Legierungspartner
Ein weiteres Register zum Abstimmen der Stahleigenschaften ist das Zulegieren
anderer Elemente und Metalle. Nach deren Vorhandensein oder nicht bzw. der Höhe
der Anteile kann man Stahl in drei grobe Gruppen einteilen:

1. unlegierter Stahl: unter 1,5% zugesetzte Legierungselemente;
2. niedrig legierter Stahl: höchstens 5% zugesetzte Legierungselemente;
3. hoch legierter Stahl: mehr als 5% zugesetzte Legierungselemente (hierzu zählt
auch > Edelstahl).

                Kohlenstoff
Obwohl Kohlenstoff (Kürzel: C) nicht zu den Legierungspartnern von Eisen gezählt
wird, hat er den größten Einfluß auf die Zugfestigkeit der Eisenlegierung -
bereits geringe Beigaben von Kohlenstoff verbessern deutlich die mechanischen
Werte des Eisens. In Zahlen:

Die Zugfestigkeit von reinem Eisen (250-280 N/mm²) steigt je nach
Kohlenstoffanteil auf 340-1000 N/mm² , der > Schmelzpunkt sinkt von 1530° C
(reines Eisen) auf 1145° C (Eisen mit 4,3% Kohlenstoff). Allerdings verringert
eine erhöhter Kohlenstoffzugabe die Bruchdehnung und die Schweißbarkeit der
Legierung.

Der Legierungspartner Kohlenstoff tritt im Stahl in zwei Konfigurationen auf:

1. als sogenanntes "Mischkristall" - wobei sich Kohlenstoff-Atome in das
Kristallgitter des Eisens einmischen.

2. als Fe3C, einer Molekülverbindung von Eisen und Kohlenstoff, die auch als
Eisenkarbid bezeichnet wird.

Diese beiden, z.T. nebeneinander auftretenden Konfigurationen lassen sich durch
spezielle Wärmebehandlung innerhalb der Metallstruktur verändern, was sich
ebenfalls auf die physikalischen Eigenschaften von Stahl auswirkt.

Außer Kohlenstoff spielen bei der Stahlherstellung noch andere Elemente und
Metalle eine Rolle als Legierungspartner von Eisen, wobei sich im Fahrradbau
eine Legierung mit geringen Zusätzen von > Chrom und  Molybdän durchgesetzt hat
- im Velo-Lager liebevoll "Cromolly" genannt, s. Rahmenaufkleber. Diese
Kombination macht den Stahl einerseits dehnbarer und erhöht zugleich seine >
Dauerschwingfestigkeit.

Andere Legierungspartner wie z.B. > Nickel oder > Mangan steigern die
Zugfestigkeit. Im einzelnen haben die neben Kohlenstoff am häufigsten
verwendeten Legierungspartner folgende Auswirkungen auf die Stahleigenschaften:

                Chrom (Cr)
Erhöht die Zugfestigkeit, verringert aber geringfügig die Bruchdehnung und
schützt vor > Wasserstoffversprödung.

                Molybdän (Mo)
Erhöht die Zugfestigkeit und > Dauerschwingfestigkeit, verhindert Sprödigkeit
durch Wärmebehandlungen (> Anlaßsprödigkeit), verbessert die Schmiedefähigkeit.

                Nickel (Ni)
Steigert die Zugfestigkeit, verbessert die Resistenz gegen Kerben (gute >
Kerbschlagzähigkeit), vermeidet starkes > Kornwachstum bei Erwärmung.

                Mangan (Mn)
Erhöht die Zugfestigkeit, verbessert die Resistenz gegen Kerben (gute >
Kerbschlagzähigkeit), "beruhigt" den Stahl (> Beruhigung), erhöht aber seine >
Anlaßsprödigkeit und macht ihn empfindlich gegen Überhitzung (>
Grobkornbildung).

                Vanadium (V)
Verhindert > Anlaßsprödigkeit und Anfälligkeit gegen Überhitzung.

                Silizium (Si)
Erhöht die Zugfestigkeit, reduziert die Bruchdehnung, "beruhigt" den Stahl (>
Beruhigung).

                Aluminium (Al)
Führt zur > Beruhigung des Stahls.

Schwefel und Phosphor, Kürzel "S" und "P": machen den Stahl kerbempfindlich und
gelten als "Verunreinigungen" im Stahl - ihr Anteil ist also möglichst gering zu
halten.

        Legierungs-Code
Die einzelnen Stähle sind mit einem Code bezeichnet, der Auskunft über ihre
Zusammensetzung gibt und im folgenden am Beispiel der als Rahmenwerkstoff häufig
verwendeten Stahlsorte 25CroMo4 ausgeführt wird:

                25CroMo4
* Die erste Zahl gibt den Kohlenstoffgehalt an und zwar um den Faktor 100
vervielfacht: Im Beispiel bedeutet die vorangestellte "25" also einen
Kohlenstoffanteil von 0,25%;
* die folgende Buchstabengruppe gibt die Auswirkung jener Legierungspartner an,
die die Stahlsorte am meisten prägen (in unserem Beispiel: prägt also > Chrom
diese Stahlsorte am meisten (erhöht   Zugfestigkeit), gefolgt von > Molybdän
(erhöht Dauerschwingfestigkeit);
* die abschließende Zahl verrät den Prozentgehalt des am meisten vertretenen
Legierungspartners, multipliziert mit dem Faktor 4; "4" in unserem Beispiel
bedeutet also einen Chromanteil von 1%.

Anmerkung: Den Stahlherstellern wird ein gewisser Toleranzbereich für die
einzelnen Legierungsbestandteile zugebilligt, entsprechend der > DIN-Vorschrift
17200 (Vergütungsstähle).

Für unsere 25CroMo4-Stahlsorte ist folgender Streubereich zulässig:

Kohlenstoffgehalt               0,23 - 0,29%
Chrom                           0,9  - 1,2 %
Molybdän                        0,15 - 0,3 %
Mangan                  0,6  - 0,9 %
Anmerkung: Mangan gilt als preiswerter Stahlverfestiger, erhöht also die
Zugfestigkeit der Legierung, prägt sie aber nicht so entscheidend, wie die
beiden im Code hervorgehobenen Bestandteile Chrom und Molybdän, obwohl er
nominell zu einem höheren Aneil zugesetzt ist als z.B. Molybdän.

                34CroMo4
Kohlenstoffgehalt auf 0,34% erhöht (steigert Zugfestigkeit um rund 10%), gleiche
Anteile der übrigen Legierungspartner wie 25CroMo4.

                "Nivachrom"
34CroMo4-Stahlsorte von > Columbus, der zusätzlich geringe Anteile von Vanadium
(0,1%) und 0,03% Nickel zugesetzt werden. Das macht diese Stahlsorte
"lötfreundlicher", da der negative Wärmeeinfluß sowie ein unerwünschtes >
Kornwachstum spürbar unterdrückt werden.

        Normen
Für den Laien nicht überschaubar sind die Normbezeichnungen der Stahlsorten. So
wird beispielsweise der 25CroMo4 im sog. DIN-"Stahlschlüssel" mit der
Werkstoffnummer "1.7218" benannt. Die ANSI- oder SAE-Bezeichnung lautet hingegen
"4130". Letzte ist übrigens bisweilen auf einigen Rahmenaufklebern zu finden.



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Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH
Christian Smolik 18.05.2000
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH
Jörg Bucher zuletzt am 18.05.2000