| Bowdenzüge | Bremsen | Einspeichen | Federungen | Felgen | Innenlager | Kaufberatung | Kette | Kurbel | Lenker | Naben | Pedale | Position | Reifen | Reklamieren | Ritzel | Sattel | Sattelstütze | Schaltung | Speichen | Steuersatz | Vorbau | Werkstatt | © Grundlagen Fahrradtechnik

Kapitel 1: Bremsen

Von U-Breakes und Rollerbreakes spricht heute kein Biker mehr ... die Cantileverbremse, genauer die V-Brake hat das Rennen gemacht. Mehr noch: Aufgrund ihrer simplen Bauweise und ihrer hohen Wirksamkeit hat sie sich bis zu den Gebrauchsrädern hinunter durchgesetzt. Daneben fanden noch Hydraulik- und Scheibenbremsen Eingang in den Fahrradbau. Hinsichtlich Pflege und Wartung haben wir folglich zu differenzieren.

zurück


Bremsen bei Nässe

Gleich an dieser Stelle ein generelles Problem aller Felgenbremsen: Das Bremsen bei Nässe. Ein hauchdünner Wasserfilm legt sich zwischen Felge und Bremsgummi und reduziert kurzzeitig aber drastisch die zum Bremsen nötige Reibung. Erst nach einigen Radumdrehungen ist dieser Film durchgebremst und dann greift die Bremse richtig zu. Folge: Der Bremsweg wird länger, der plötzliche "Zugriff" der Bremse (nach dem Durchbremsen des Wasserfilms) kann zum Blockieren des jeweiligen Laufrades führen. In der Sicherheits-Vorschrift für Fahrräder, der DIN 79100, sind Werte vorgegeben (Mindest- Bremsbeschleunigung bei Nässe = 1,4 m/s), die Fahrradhersteller normalerweise strikt einhalten müssen. Wie in allen anderen Industriezweigen auch, versuchen die Anbieter natürlich, diese Richtlinien mit dem geringstmöglichen Kostenaufwand für Produktion und Verbraucher zu erfüllen. So geschehen unter anderem mit: 1. Einer verbesserter Bremsleistung, 2. Überschliffenen Felgenflanken, 3. Spezialbremsgummis und da sollte einiges bedacht sein:

Zu 1. Mit der erhöhten Bremsleistung sind hauptsächlich Gelegenheitsfahrer überfordert. Zu forsch in die "Eisen" gelangt, schmiert das Vorderrad nach dem Durchbremsen des Wasserfilms seitlich weg oder aber bei Trockenheit geht´s über den Lenker ab. Selbst geübte Akteure beklagen unfreiwillige "Abgänge", wenn in Notsituationen die Bremse nicht dosiert betätigt, sondern reflexartig "voll" bis zum Lenker durchgezogen wird. Schon während der Flugphase kommt dann so manchem Biker die Erkenntnis: "Zu gut darf eine Bremse nun auch wieder nicht sein".

Zu 2. Überschliffene Felgenflanken bekommen eine rauhe Oberflächenstruktur, deren Erhebungen unverzüglich vom Wasserfilm befreit wird. Damit steigert sich die Bremswirkung bei Nässe erheblich. Leider ist das keine dauerhafte Angelegenheit. Erfahrungsgemäß ist nach 1.500 Fahrkilometern die Felge, egal, ob vorher eloxiert oder aufgerauht, von den Bremsgummis blankgeschmirgelt. Einen Vorteil hat die Felgenschleiferei jedoch: Versetzungen, Taillen oder Beulen am Stoß werden eingeebnet, das Bremsflattern damit zuverlässig verhindert.

Zu 3. Naßbremsgummis erzielen in der Regel eine höhere Bremswirkung bei Nässe, indem beigemischte, härtere und körnige Bestandteile sozusagen punktuell den Wasserfilm durchdrücken. Ihr Nachteil: Ein schnellerer Abrieb am Gummi selbst oder an der Felge. Man kann also wählen zwischen viel Wartungsarbeit oder einer geringeren Lebenserwartung der Felgen.

 

Abgesehen davon gibt es noch eine Möglichkeit, die Bremsleistung bei Nässe ohne Erhöhung der Trockenbremsleistung zu realisieren: Einfach die Bremgummis verkleinern. Wie wir alle einmal im Physikunterricht gelernt haben, ist die Reibung zwischen zwei aufeinander gleitenden Körpern unabhängig von der Kontaktfläche. Andererseits schwillt bei einer kleineren Fläche der Anpreßdruck pro Flächeneinheit an und entsprechend schneller "knacken" kleinere Bremsgummis den Wasserfilm - selbstredend zu Lasten der Bremsgummi-Lebensdauer. Ein Privatprojekt mit verkleinerten handelsüblichen Bremsgummis zeigte jedoch, daß diese Stopper nach einer Gebirgstour mit immerhin 15.000 Höhenmetern mal eben zu einem Drittel verschlissen waren. Mit anderen Worten, der Abrieb solcher "getunten Bremsgummis" liegt immer noch bei weitem unter dem von einigen Naßbremsgummis.

Inzwischen ist auch eine etwas teurere Methode zur Optimierung der Naßbremswirkung in aller Munde:Keramikfelgen. Bei diesen preislich bei ca. DM 150,- angesiedelten Felgen sind die Bremsflächen mit einer enorm verschleißfesten Keramik-Beschichtung versehen. Eine minimale Oberflächen-Rauhheit bietet den Bremsgummis einen beinahe doppelt so guten Nässe-Grip. Bei Trockenheit bleibt die Bremswirkung im Rahmen der anderen Alu-Felgen. Wenn auch bei diesen Felgen die Bremsgummis gegen einen vorzeitigen Verschleiß kämpfen, ist ihnen doch ein weiterer positiver Sicherheitsaspekt zu eigen: Der Unterschied beim Naß- oder Trockenbremsen fällt kleiner aus - der Radfahrer wird also keinen krassen Wirkungs-differenzen ausgesetzt. Gefährlich ist halt, wie weiter oben schon erläutert, jener Moment bei herkömmlichen Felgen, in dem die Felge trockengebremst ist. Dann kann innerhalb von ein paar Zehntel Sekunden die Bremswirkung um den Faktor vier und mehr ansteigen.

Bedacht werden sollte auch: Reifen besitzen bei Nässe ja ohnehin eine niedrigere Haftwirkung, die Laufräder neigen schneller zum Blockieren. Deshalb wäre es bestimmt sinnvoller und der Sicherheit dienlicher, Bremskraft-Begrenzungen oder Antiblockiersysteme für das Velo zu entwickeln. Bestrebungen, denen in letzter Zeit mit Bremsmodulatoren (Shimano Nexave oder Federblöcke im Brems-Außenzug) realisiert worden sind.

 

zurück


Seitenzugbremse

Einfachste Bauart von Bremsen nach Art einer Zange. Die Außenhülle des Bowdenzugs wird einseitig ohne Kabelstopper angebracht, daher einfache Zugverlegung und Montage. Im Rennradbereich ist die Seitenzugbremse der vorherrschende Bremstyp, sie ist sehr wirkungsvoll, wenn das sog. Bremsmaß (Abstand Bremsgummis von Mitte Bremsbolzen) 55 mm nicht übersteigt. Nur dann sind erstens gute Hebelverhältnisse gegeben, zweitens besteht keine Verwindungs-, sprich Flattergefahr für die Bremse.

Die bis in die 80er Jahre gebauten Seitenzugbremsen für Alltagsräder mit Schenkellängen von sogar über 100 mm (schlechte Hebelverhältnisse) zeigten zu geringe Wirkung. Nicht selten endete der erste herzhafte Bremsversuch sogar mit verbogenen Bremsschenkeln. Durch Axialkugellager zwischen den beiden Bremsarmen wurde die Seitenzugbremse Mitte der 80er Jahre optimiert. Sie konnte nun spiel- und damit flatterfrei eingestellt werden. Außerdem reduzierten sich die Betätigungskräfte um ca. 6%, wodurch 1. ein gefühlvolles, wohldosiertes Bremsen ermöglicht wurde und 2. die Bremskraft ebenso um ca. 6% gesteigert werden konnte.

Eine Variation der Seitenzugbremse ist die Dual Pivor-Bremse SLR-Bremse: Ein separates Drehgelenk verbessert die Hebelverhältnisse und damit die Bremskraft, verringert aber den Bremsbetätigungsweges (Schwenkweite der Bremsgummis).

 

zurück


Cantileverbremse

Dieser, in der Vergangenheit in erster Linie bei Querfeldein-Rädern anzutreffende Bremstyp hat sich in Form und Funktion unglaublich gewandelt. Reichten ursprünglich die Bremsarme für die Seilbefestigung weit nach unten und wurden außerdem mit einem relativ spitzen Seildreieck betätigt, so lagen sie später fast parallel zu den Gabelbeinen oder Sattelstreben und zeigen ihre beste Bremswirkung, wenn sie mit einem tunlichst stumpfen Seildreieck verbunden sind. Als V-Brake noch über den Reifen hinausgezogen, wird auch das Seildreieck überflüssig, der Bremszug kann ohne Konterhalterung bis an die Bremse verlegt werden. Die Gefahr des Abgleitens der Bremsgummis von der Felgenkante kann weiterhin durch eine Parallelogramm-Führung der Bremsgummis (Shimano) weitgehend vermieden. Staubgeschützte Rückholfedern und eine Justiergelegenheit zur Mittigstellung der Bremsen sind angenehme, in diese Bremsen-Version eingeflossen Innovationen.

Geblieben sind teilweise noch die komplizierte und schwer einstellbare Halterung der Bremsgummis: Mit einer einzigen Schraube geklemmt, müssen die Stab-Bremsgummis in Höhe, Abstand, Neigung und Parallelität zur Felge eingestellt werden. Eine Aktion, die selbst erfahrenen Mechanikern starke Neven abverlangt. Erst die neuen V-Brakes warten mit Bremsgummis auf, die wie bei der Seitenzugbremse einfach vor die Bremsarme geklemmt werden, Ungenauigkeiten des Cantileversockels lassen sich per Kugelscheiben ausgleichen.

Die Wirksamkeit der Bremsen hängt, außer von den Bremsgummis und ihren Reibungspartnern von den Hebelverhältnissen ab. Hier geht einmal die geometrische Lage des Cantileversockels ein (zu tief und zu weit auseinander angelötet, verschlechtert sich die Bremswirkung). Vorschrift von Shimano: Beim 26" Felgen 253,5 mm Abstand von Mitte Ausfallende bis Mitte Canti-Sockel, 283 für 28"Felgen - Abstand der Sockel zu einander 77 bis 85 mm. Am Bremsgriff ist die Länge des Bremshebel zum Drehpunkt im Verhältnis zum Abstand der Bremsnippeleinhängung zum Drehpunkt entscheident und hier müssen die Bremshebel von V-Brakes einen größeren Nippelabstand besitzen als die von Seildreiecks-Cantis.

zurück


Bremsbooster

Weitere Eingriffe auf die Bremsfunktion können wir in Form eines Verstärkungsbügels vornehmen, der ein elastisches Ausweichen des Cantileversockels verhindert. Doch Vorsicht, das Resultat ist nicht jedermanns Sache. Die Dosierbarkeit der Bremse läßt nach und läßt sich bloß noch über die Kraft variieren. In kritischen Fahrsituationen oder bei reflexartigen Notbremsungen ist ein Blockieren der Laufräder wiederum nicht auszuschließen. Läßt sich das beim Hinterrad unter Umständen noch einigermaßen aussteuern, endet es mit einem blockierenden Vorderrad doch meistens "in der horizontalen Gleichgewichtslage". Profi-Biker schätzen diese bissigen Bremsen und setzen sie sogar zum Steuern um Ecken oder bei Spitzkehren ein. Alltagsradler sollten allerdings zusätzlich einen Bremsmodulator oder die längs-elastischen Außenzüge der Firma Tune montieren.

 

zurück


Hydraulikbremse

An jedem Auto eine Selbstverständlichkeit und seit rund acht Jahren auch für Fahrräder zu erwerben - die Hydraulik-Bremsen. Sie benutzen zur Kraftweiterleitung keine Seile, sondern Öl. Ihr Prinzip: Der Bremshebel drückt über eine Mechanik auf einen sogenannten "Geberkolben". Der befördert das Öl durch eine Bremsleitung auf einen weiteren, den "Nehmerkolben". Sowie der "Geberkolben hineingepreßt wird, drückt sich der "Nehmerkolben" heraus und traktiert mit dem an ihm fixierten Bremsgummi die Felge. Pluspunkt der Hydraulikbremse: Es gibt kein Einrosten der Bremszüge und selbst bei kurvenreicher Zugverlegung entstehen keine nennenswerten Reibungsverluste. Die Bremse hat eine gute bis sehr gute Wirkung, ist leicht zu betätigen und super dosierbar. Als Nachrüstsatz für ältere Gebrauchsräder wird sie mit einem Adapter-Joch in die Bremsbohrung an Gabelkopf und Bremssteg befestigt, bei modernen Velos mit einer Spezialhalterung auf dem Cantilversockel.

 

Anfängliche Berührungsängste der Pedalisten in Richtung eventuelles Leitungswechseln oder Entlüften entpuppten sich als unbegründet, da Hydraulikbremsen kaum der Pflege und Wartung bedürfen. Wenn es in seltenen Fällen (Sturz, spezielle Bremsleitungsverlegung) doch einmal sein muß, helfen spezielle Montage-Sets weiter. So erfreuen sich die Hydraulikbremsen einer steigenden Beliebtheit. Lediglich der etwas höhere Preis hält viele Biker noch davon ab, diese Bremse an ihrem Sportgerät anzubringen.

 

zurück


Scheibenbremse

Im Grunde genommen sind bereits alle Felgenbremsen Scheibenbremsen. Die "echten" sitzen aber auf den Naben und müssen sich der Speichen bedienen, damit ihre Bremswirkung über Felge und Reifen auf die Fahrbahn gelangt. Dazu später mehr, zunächst zum Prinzip dieser Bremsen. Eine Bremsscheibe aus Stahl, Aluminium oder Carbon wird von Bremsklötzen "in die Zange" genommen. Da die Bremsscheibe bis auf ein Zehntel Millimeter exakt rund läuft, kann der Abstand der Bremsklötze zur Scheibe minimiert werden. Im Vergleich zu Felgenbremsen ist jetzt eine wesentlich größere Hebelübersetzung möglich. Das macht die Scheibenbremse sehr wirksam, und auch ein Wasserfilm auf der Scheibe hat keine Chancen gegen die griffigen und mit hoher Hebelübersetzung zugreifenden Bremsklötze. Selbst Vereisungen der Scheibe im Winter sind kein Thema, die flutschige Schicht wird schlicht "geknackt" und vom Fahrtwind weggeblasen.

Der zum Betätigen der Scheibenbremse nötige hohe Anpreßdruck der Bremsklötze wird entweder hydraulisch aufgebracht, mit Hebelsystemen in die Tat umgesetzt oder per Schraubenspindel ausgeübt. Die Hydraulik ist selbstverständlich die eleganteste Variante, aber auch die kostspieligste. Das Hebelverfahren hat teilweise ein progressives Bremsverhalten zur Folge, was die Dosierbarkeit büßen muß. Die Schraubenspindel schließlich besitzt eine solch hohe Spindelreibung, daß sie als Entweder/oder-Bremse bezeichnet werden kann.

Wie oben angedeutet, "streßt" die Scheibenbremse die Speichen sichtlich, was aus dem nachfolgenden Beispiel klar wird: Ein sportlich durchtrainierter Strampler kann innerhalb von fünf Sekunden von Null auf 40 km/h beschleunigen. Die Bremsen verzögern jedoch binnen einer Sekunde das Tempo von 40 auf Null. Nur gut, daß kein Radfahrer während des Bremsvorganges einen Wiegetritt ausübt. Mit der dann noch auftretenden seitlichen Belastung wären die Speichen zweifellos überfordert. Um die Speichenkräfte ein bißchen im Zaum zu halten, führt man die Nabenflansche, an denen Scheibenbremsen montiert sind, mit einem größeren Durchmesser aus.

Auch die Gabelbeine werden von Scheibenbremsen äußerst belastet: Die Bremse stützt sich ziemlich weit unten an den Gabelbeinen ab, womit ein großer Hebelarm bis zum Gabelkopf entsteht. Die Gabeln ehemaliger Gebrauchsräder "wickelten" sich daher bereits bei den ebenfalls zu den Nabenbremsen zählenden Trommelbremsen bisweilen förmlich auf. Weshalb in den Sicherheitsvorschriften hingewiesen wird, die Gabeln für Nabenbremsen entsprechend steifer auszulegen. Bei den ohnehin überdimensionierten MTB-Gabeln war das nie ein Problem. Die Geometrie der Anschraubösen für die Scheibenbremsen ist mittlerweise genormt.


Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH Christian Smolik 1994 - 03.08.1999
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH Jörg Bucher zuletzt am 24.08.1999