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Kapitel 2: Bowdenzüge

Mit Bowdenzüge können Kräfte ohne aufwendige Hebel-, Winkel- und Stangenmechanik "um die Ecke" geleitet werden. Eine segensreiche Einrichtung, aber gerade sie verlangt nach intensiver Pflege und Wartung, sonst "geht bald nichts mehr". Zum Prinzip:

Eine seitlich flexible, in Längsrichtung aber relativ starre Außenhülle wird an beiden Enden festgelegt. In ihr wird ein Innenzug geführt, der von einem Hebel betätigt, Zugkräfte auf Bauteile (Schaltung, Bremse, Dynamo) ausübt.

 


Tücken

 

1. Mit zunehmenden Winkelgraden bei der Zugverlegung geht durch die Seilreibung Betätigungskraft verloren.

2. In den Ringspalt zwischen Innen- und Außenzug wird via Kapilarwirkung schmutzbeladenes Wasser "eingesaugt", was die Reibungsverluste noch einmal erhöht.

3. Bei mangelnder Wartung können die Züge einrosten oder im Winter einfrieren.

4. Unzweckmäßig geklemmt, rutschen die Innenzüge aus ihrer Fixierstelle oder reißen.

5. Geknickte, angerostete oder verschlissene Innenzüge können ebenfalls reißen.

6. Geknickte Außenhüllen "schlucken" über eine Art Zieharmonika-Effekt einen Teill des Betätigungsweges.

 


 

Seilreibung

 

Ein bißchen unberechenbar und anspruchsvoll ist dieser geschmeidige Bowdenzug also schon und wir haben im Umgang mit ihm einiges zu beachten. Beginnen wir mit der Verlegung der Züge. Nicht die Enge einer Biegung (sie belastet nur die Flexibilität des Innenzuges), sondern die Winkelgrade einer Biegung erhöhen die Reibungsverluste. Faustregel: Summieren sich alle Biegegrade auf 180 Grad auf, muß man mit ca. 30% Kraftverlust rechnen. Daher auf unnötige Bögen, Schlaufen und sonstige "Ohren" verzichten und die Zugverlegung möglichst gradlinig, kurz und "lacknah" ausrichten.

Um die Reibung zwischen Innen- und Außenzug zu mindern, sind die Außenhüllen mit einer Kunststoff-Beschichtung versehen oder besitzen ein eingelegtes Kunststoff-Röhrchen. Trotzdem müssen auch diese Züge geschmiert werden. Hierzu gilt: Öl macht die Züge leichtgängiger, Fett dichtet besser (eindringendes Schmutzwasser). Für den Schmutz anziehenden Radelalltag sollte man daher eine Kombination aus beiden anwenden: Zunächst Öl durch die ausgebaute Außenhülle laufen lassen, dann die Enden in Brems- und Schaltgriff sowie in Gegenhalterung und Schaltung reichlich einfetten und somit gegen das eindringende Schmutzwasser versiegeln.

Damit ein kontinuierliches Gleiten der Züge gewährleistet bleibt, sind sie alle sechs bis acht Wochen auszubauen, sorgfältig zu putzen und dann wieder zu montieren. Zum Säubern der Außenhülle kann ruhig mit einem scharfen Wasserstrahl durchgespritzt werden. Daraufhin aber zwecks Rostabwendung ordentlich durchpusten und zuerst mit Sprühwachs behandeln (verdrängt das Wasser), dann Öl durchlaufen lassen. Für den Winter empfielt es sich, zum Öl noch ein bißchen Glykol hinzuzugeben, damit eventuell eingedrungenes Wasser nicht gefrieren kann und damit die Züge blockiert.

Speziell bei Aluminium-Rahmen arbeiten sich die Schaltzüge unter dem Tretlagergehäuse mit der Zeit ins Material ein. Anfangs bereitet das keine Probleme. Wenn sich der Zug aber bis knapp zur Hälfte ins Tretlagergehäuse "eingegraben" hat, tritt eine Kleil-Klemmwirkung auf, die besonders beim Schalten auf größere Ritzel und Kettenblätter die Seilreibung derart ansteigen läßt, daß fast "nichts mehr geht". Abhilfe: Den Schaltseilen in dieser Zone mittels Kunststoff-Röhrchen zu einem besseren Gleitvermögen verhelfen. Diese Maßnahme sollte bei allen Aluminium-Rahmen, deren Seile auf dem blanken Gehäuse laufen, bereits profilaktisch vorgenommen werden.

Ebenfalls reibungsmindernt wirkt sich ein durchgehend verlegter "Innliner" aus, er vermeidet Reibungsverluste bei Versetzungen des Außenzuges Kabeldurchführungen des Rahmens. Und auch um die Ecken herum geht´s eine Idee leichter wenn statt der Außenzüge die Nokon "Trac Pearls" verlegt weden. Die einzeln auf einen Liner gefädelten Perlen und Hülsen knicken nicht und stellen eine spannungsfreie Verbindung her - das Reiben am Steuerkopf gibt es nicht mehr.

Letzlich läßt sich durch eine Umlenkrolle ("Easy-Roller" oder "Mister Crud Cog Hog") 90 Grad Seilabwinklung am Schaltwerk verhindern.  


 

Seil-Klemmung

Die Innenzüge bestehen je nach Dicke und Machart aus 7 bis 49 einzelnen Drähten, die zu einem Seil verdrallt sind. Zum sicheren Verklemmen der Zugenden müssen nun Voraussetzungen geschaffen sein, damit der Zug sich an der Klemmstelle nicht einfach plattdrückt. Dann könnten Belastungen nicht mehr homogen auf alle Drähte verteilt werden, außerdem bestünde die Gefahr, daß sich der zusammengequetschte Zug aus seiner Klemmstelle zieht. Aus diesem Grund sind Klemmstellen hochwertiger Bauteile mit kleinen v-förmigen oder halbrunden Nuten ausgestattet. Sie sollen eben ein Aufspleißen des Zuges verhindern. Weiterhin kann man das Aufspleißen der Zugenden umgehen, indem das Ende die Klemmstelle um schätzungsweise 4 cm überragt und mit einer Endkappe versehen wird.

Hierzu eignen sich handelsübliche Endkappen, die der Fachhandel in verschiedenen Durchmessern für Schalt- und Bremszüge parat hält. Preiswerter sind Kabel-Endhüllen der Elektriker. Als Notbehelf lassen sich als Endkappe sogar Speichennippel zweckentfremden. Sie schützen mit dieser Aktion nicht nur den Innenzug vor dem Aufspleißen, sondern auch sich selbst vor kleinen, aber schmerzhaften Fingerverletzungen. Weshalb solche Endkappen auch bei Velos vorgeschrieben sind, die in sportlichen Wettkämpfen eingesetzt werden.

Wahrlich unsensibel gehen jene Klemmstellen mit dem Innenzug um, die ihn durch eine Bohrung führen und entweder mit einer Madenschraube oder einer Scheibe verklemmen. Hierbei werden nicht selten einzelne Drähte abgequetscht/abgeschert. Die Haltbarkeit des Zuges ist von Beginn an reduziert. Darüber hinaus ist an dieser Stelle der Zug bleibend deformiert. Wird er zur Reinigung aus der Außenhülle herausgezogen, ist er hinterher nur sehr schwer oder gar nicht mehr einzufädeln. Sollten Sie an Ihrem Fahrrad eine solche Klemmstelle finden (billige Bremsen/Kabelteiler), ist es ratsam, einen etwas dünneren Innenzug zu verwenden und ihn an der Klemmstelle mit einer Kabel-Endhülle der Elektriker, siehe Bild, vor Unheil zu bewahren.

 


Ablängen

 

Wesentlich ist beim Ablängen der Züge ein möglichst glattes Trennen der Außen- und Innenzüge. Beim Innenzug wiederum zur Aufspleiß-Abwehr, beim Außenzug, um scharfe Grate zu vermeiden. Das mag zwar bereits mit einem scharfen Seitenschneider ganz gut klappen, eine Kabelschere aber erledigt diese Arbeiten leichter und sauberer. Warum solch perfekte Trennstellen? Haken, Grate oder plattgedrückte Spiralen "fackeln" gleich beim Eintritt der Innenzug-Reibung ab und es kann Jahre dauern, bis sie sich von selbst beigeschmirgelt haben. Aus diesem Grund entgrate ich sogar die Schnittenden mit einem Dreikantschaber (mit einer kleinen Schlüsselfeile geht´s ebenso). Hierbei können unter Umständen kleinste Späne in den Außenzug fallen. Daher vom anderen Ende her kräftig durchblasen.


Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH Christian Smolik 1994 - 03.08.1999
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH Jörg Bucher zuletzt am 24.08.1999