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Kapitel 8 Naben
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Irgendwann einmal brachte jemand "den Stein ins Rollen", anstatt ihn mühselig über den Boden zu schleifen - und die Sache mit dem Rad war so gut wie erfunden! Doch wie immer in der Menschheitsgeschichte brachte die Lösung eines Problems postwendend eine Reihe neuer mit sich: Achsen brachen, Nabenlager qualmten, Sand kam ins Getriebe...
Heute - einige Tausend Jahre später - sind Nabenlagerungen weitgehend ausgereift. Per Kugellager extrem leichtlaufend, mit exzellenten Werkstoff-Paarungen und aufwendigen Dichtungen praktisch für die Ewigkeit gerüstet, scheinen die alten Schwierigkeiten aus der Welt geschaffen. Wenn sie uns dennoch nicht unbekannt sind, liegt das abgesehen von widrigen Betriebsbedingungen (Radeln im Schnee und Matsch) oder seltenen Ausrutschern in der Fertigung auch an der mangelnden Pflege und Wartung.
Die Nabenlagerung unserer Fahrräder geschieht aufgrund ihrer Robustheit und ihrer kleinen Bauhöhe auch zum jetzigen Zeitpunkt noch überwiegend mit sogenannten Konus-Kugellagern: Eingeengt zwischen Konus und Lagerschale rollen Kugeln auf deren gefetteten Laufbahnen. Per Gewinde auf der Nabenachse verstellbar, kann mit dem Konus das Lagerspiel eingerichtet werden. Spalt-, Labyrinth- oder Lippendichtungen weisen Schmutz und Spritzwasser ab. Für die Lagerelemente anscheinend optimale Bedingungen, die auf eine schier unbegrenzte Lebensdauer schließen lassen, wenn, ja wenn da nicht wieder das Wasser wäre... Bei Tempo 70 bergab oder beim noch schnelleren Transport auf dem Autodach wird Regen und Spritzwasser eine gewaltige kinetische Energie verliehen; was natürlich genauso auf Reinigungsvorgänge mit dem Dampfstrahler zutrifft. Ins Nabeninnere eingedrungen, unter Umständen als Freundschaftsdienst noch ein paar Schmutzpartikel mitgenommen, funktioniert diese Schmirgel-Substanz das Nabenlager in Kürze zu einer Kugelmühle um.
Wer als übereifriger Velo-Pfleger seine Naben von außen mit Öl behandelt, fördert das Wasser-Eindringen noch. Denn mit Ausnahme des direkt mit dem Öl eingespülten Achsen-Schmutzes verdünnt es das nicht bloß schmierende, sondern auch dichtende Fett - ein gefundenes Fressen für den Verschleiß-Teufel. Deshalb je nach gefahrenen Kilometern ein- bis zweimal pro Jahr eine Demontage, Säuberung und Neufettung der Nabeninnereien. Die Nabe revanchiert sich dafür mit einer hohen Lebenserwartung von 40 000 Kilometer und mehr.
Selbstverständlich sollten Konus und Lagerschale exakt zentrisch und fluchtig zueinander angeordnet sein. Bei minimalen Fertigungs-Ungenauigkeiten oder geringfügigen Achsverbiegungen ist dieser Zustand nicht mehr gegeben. Doch selbst derartige Bedingungen erträgt ein Konuslager. Die Kugeln rollen dann ein wenig diagonal über Konus und Lagerschale. Erst größere Abweichungen führen zu ungünstigen Lagerverhältnissen und damit zum raschen Verbrauch.
Lagerung mit Industrie-Kugellager:
Hochwertige Naben werden in den letzten Jahren vermehrt mit den echten Kugellagern, die wir Pedalisten zur besseren Unterscheidung "Industrie-Kugellager" nennen, ausgestattet. Obwohl sie, gleiche Baugröße vorausgesetzt, schwächlicher sind als die Konus-Kugellager, halten sie erstaunlicherweise länger und brillieren mit einem Super-Leichtlauf. Ihr Geheimnis, das sie sich bekanntlich mit einem Teil ihrer Konkurrenz teilen müssen: Die bessere Dichtung sowie eine optimierte Werkstoff-Paarung. Als Einheit entwickelt, die Lagerluft penibel bemessen, hinsichtlich Oberflächengüte und Fertigungs-Toleranzen (der Kugel-Durchmesser ist bis auf einen Tausendstel Millimeter identisch) voll ausgereizt, sind sie, was den Herstellungsprozeß betrifft, in ihrer Präzision den mehr oder weniger "handgestrickten" Konuslagern weit überlegen. Und dafür sind die Radler in puncto Kaufpreis gern ein bißchen großzügiger.
Trotzdem sind auch die Neuen nicht hundertprozentig gegen eindringendes Schmutzwasser gefeit. Die turnusmäßige Säuberung entfällt zwar, notfalls müssen aber die Lager gelegentlich gewechselt werden (Dampfstrahler und Regenfahrten = Lagerschäden). Sie können übrigens bei diversen Naben dieser Lagerart in Eigenregie in Sachen Dichtwirkung etwas unternehmen: Wenn das Kugellager ungeschützt außen liegt, kann sich nach und nach Staub und Schmutz unter der Dichtlippe hindurch ins Lagerinnere schmuggeln. Eine vor diese plazierte, dünne Alu-Scheibe, die bis dicht unter den Außenring des Kugellagers reicht, verhindert solch´ Ungemach und "hält ungemein dicht".
Lagerung mit Industrie-Kugellager:
Mit zunehmender Ritzel-Anzahl auf dem Hinterrad ist der Abstand vom Nabenlager bis zum Ausfallende in den letzten 15 Jahren von 24 Millimetern (Fünffach-Freilauf) bis auf 35/37 Millimeter (8-/9-fach-Ritzelpaket) angewachsen. Folge: Bei einer unveränderten Dicke der Hinterradachse sind häufiger Achsverbiegungen an der Tagesordnung, bisweilen sogar Brüche. Insbesondere, wenn ein gewichtiger oder rüde fahrender Biker ins Pedal tritt bzw. sausende Down Hill-Fahrten absolviert. Hier möchten wir Ihnen erneut eine gewisse Eigeninitiative ans Herz legen: Schauen Sie sich mal bei aufliegender Kette den Abstand vom kleinsten Ritzel zum Ausfallende an. Die aufliegende Kette benötigt knapp zwei Millimeter "Luft" zum Rahmen hin, um ungestört auf das zweite Ritzel klettern zu können. Oft sind es vier bis sechs Millimeter. Ist die Schaltung zudem nicht einwandfrei eingestellt, kann sich die Kette gar zwischen kleinstem Ritzel und Ausfallende verklemmen.
Durch Weglassen der Zwischenscheiben auf der rechten Hinterrad-Achsseite, gegebenenfalls durch eine flachere Kontermutter, kann der Abstand auf die besagten zwei Millimeter minimiert werden. Damit schlagen Sie sozusagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Achsverbiegungen rücken in eine weitere Ferne und Sie können Ihr Hinterrad, wenn die Scheiben auf der anderen Achsseite eingebaut werden symmetrischer zentrieren. Das macht es seitensteifer und sicherer gegen Speichenbruch.
Wenn auch Kassettennaben den Fahrradmarkt erobert haben, so halten sich immernoch Naben herkömmlicher Bauweise (Schraubnaben). Sie warten mit einer dickeren Achse auf und sind im Handumdrehen zu demontieren. Ein Lagerwechsel wird förmlich zu einem Kinderspiel von fünf Minuten. Phill Wood, American Classic und Bullseye - Markennamen, die sich hauptsächlich noch bei Reiseradlern finden. Allerdings wird es ständig schwieriger, hierfür passende Schraubkränze zu finden.
Bei den Teleskop-Vorderradnaben sind Achsen und Nabenkörper gefordert. Wenn die Gabelbeine ungleich tief eintauchen, werden beide auf Biegung oder Scherung beansprucht - schlanke Rennradnaben sind hier überfordert. Aus diesem Grunde wurden die Paralax-Naben konzipiiert, bei denen die Nabenkörpermitte und der Achsdurchmesser dicker gehalten ist oder mit einer durchgehenden 9mm Spannachse (für den knallharten Down Hill-Einsatz gar mit einer 20 mm Steckachse) aufwarten.
Ursprünglich kreiselten die Naben um Vollachsen. Dank dem genialen Tüftler und Konstrukteur Tullio Campagnolo fahren wir heute mit Schnellspann-Naben. Sie erleichtern nicht nur den Radwechsel: Durch den Schnellspanner unter Vorspannung gesetzt, werden Hohlachsen resistent gegen Verbiegungen und Brüche. Komplikationen können bei einem horizontalen Ausfallende auftauchen. Verlieren die Riffelungen oder Schneideringe von Achskontermutter bzw. Schnellspanner an Schärfe, kann sich bei harten Antritten das Hinterrad quersetzen. In diesem Fall Hände weg von dünnen Leicht-Schnellspannern. Sie bringen weniger Zugkräfte auf. Bei einer Hinterradfixierung an einem senkrechten Ausfallende sind keinerlei unangenehmen Begleiterscheinungen zu befürchten.
Vorsicht auch bei der "Leichtbefestigung" der Laufräder mit Inbusschrauben. Das sollten sich einzig und allein leichtgewichtige Velo-Freunde "gönnen", denn ohne Vorspannung hält die hohlgebohrte Achse logischerweise noch weniger als eine Vollachse. Ferner: Durch die Konterung wird der Achsbereich unter der Kontermutter auf Zug belastet. Endet genau an diesem Punkt die ebenfalls Zugkräfte iniziierende Befestigungsschraube und gesellt sich dort noch die durch Fahrbahnstöße ausgelöste Biegebelastung hinzu, riecht es förmlich nach einem Achsbruch. Wer dennoch nicht von dieser Form der Laufradfixierung abzubringen ist, sollte wenigstens längere Schrauben verwenden. Sie sollen zumindest 15 mm über den Konterbereich hinaus in Richtung Achsmitte reichen.
Die Einbaubreite der Nabe hat sich beim MTB mittlerweile auf 135 mm, beim Rennrad auf 130 mm standardisiert. Bei älteren Rahmen-Modellen sind es noch schmalere Einbaumaße (130 mm MTB und 127 mm Rennrad). Hier bieten sich zwei Alternativen an: Entweder weiterhin mit einem Siebenfach-Ritzelpaket durch die Lande radeln oder aber den Hinterbau von einem Fachhändler/Rahmenbauer auf 135 mm aufweiten lassen. Diese Prozedur im Do-it-yourself-Verfahren bewerkstelligen zu wollen, ist nicht ratsam, da die Kettenstreben teilweise eingedellt sind, um ausreichend Platz für die Kettenblätter schaffen. Beim Auseinanderziehen "kommt" diese Seite deshalb weiter als die andere Seite, der Hinterbau wird schief, das Hinterrad gerät aus der Spur. Obendrein stehen die Ausfallenden nicht mehr planparallel zueinander, was Auswirkungen auf die Nabenachsen und die sichere Fixierung des Hinterrades haben kann. Ebenso ist es nicht zu befürworten, die Achse von 8-/9-fach-Naben durch Kürzen und Weglassen von Distanzbüchsen auf das ehemals aktuelle Einbaumaß bringen zu wollen, denn eine wachsende Speichen-Asymmetrie hat ein deutlich spürbares Nachlassen der Seitensteifigkeit im Schlepptau, siehe auch Kapitel "Speichen".
Inwieweit die Breite der Nabenflansche, die Größe und Anzahl der Speichenbohrungen zur Betriebssicherheit bzw. Windschlüpfigkeit Ihrer Laufräder beitragen, erfahren Sie im nachfolgenden Kapitel "Speichen".
VORDERRAD:
Nabentyp
Einbaumaß
Rennrad/MTB 100 mm
Trommelbremsnaben 100 mm
Sporträder
96 mm
Standardräder 90-92 mm
BMX/Kinderräder* 91-94 mm
HINTERRAD
Nabentyp
Einbaumaß
Rücktrittnaben**
109-110 mm
Zweigang-Naben 112-114 mm
Dreigang-Naben 116-118 mm
Fünfgang-Naben 122 mm
dito + Trommelbremse 126 mm
Siebengang-Nabe 130 mm
5-fach Ritzel 124 mm
6-/7-fach Ritzel 127 mm
8-/9-fach Ritzel Rennr. 130 mm
8-/9-fach Ritzel Mtb 135 mm
Tandem
135-150 mm
* Sonderausführungen 81-82 mm
** ohne Gangschaltung
Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH Christian Smolik 1994 -
03.08.1999
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH Jörg Bucher zuletzt am
24.08.1999