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Kapitel 17 Steuersatz

"Immer wieder Schläge, immer wieder auf die gleiche Stelle". Derartig gestaltet sich der Alltag der Steuersätze, die eigentlich wie Rotationslager ausgelegt sind. Verständlich, daß bleibende Schäden auftreten, verständlich, daß Steuersätze ein- bis zweimal im Jahr "streiken".

Zur Geradeausfahrt mit dem Velo sind fortwährend winzigste Lenkkorrekturen erforderlich. Dazu muß der Steuersatz extrem leichtgängig sein, sonst kämen die Korrekturen zu spät oder zu heftig - der Radler würde unter- und übersteuern. Aus diesem Grund benutzen wir kugelgelagerte Steuersätze. Nur rotieren diese nicht etwa wie Naben- oder Pedallager, sondern schwenken stets innerhalb kleinster Bereiche hin und her. Und binnen dieser minimalen Abweichungen von der Null-Lage aus müssen die Steuersätze alle Fahrbahnstöße "wegstecken", die über Laufrad und Gabel hereinbrechen. Jene Dauerprügel hinterlassen denn auch (unabhängig von gefahrenen Kilometern und der elastischen Sitzhaltung des Fahrers) nach einem halben bis einem Jahr Eindrücke in den Laufbahnen. Folge: Die Lenkung rastet ca. 15-Grad-weise ein, die Leichtgängigkeit ist zum Teufel, Freihändigfahren nicht mehr möglich.

Damit hätten wir neben der Kette noch einen zweiten chronischen Kranken an Bord. Auch dessen Leiden können wir nicht heilen, sondern wiederum nur lindern. Zunächst ist es natürlich wichtig, daß die Lagerung genau fluchtet. Rahmen von der Stange sollten - falls Sie keine Frässpuren an der Ober- und Unterkante des Steuerrohrs ausmachen können - vom Händler mit einem Spezialwerkzeug paßgenau und fluchtig nachgeschnitten werden. Schiefstehende Steuersätze verschleißen früher, denn Konus und Lagerschale werden dann bloß von wenigen Kugeln berührt, das heißt, mehr Druck pro Flächeneinheit und bleibende Eindrücke in den Lagerschalen schon nach ein paar Fahrkilometern.

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Lebensverlängerung

Flugs erwischt es den "Leidgeprüften" außerdem, wenn er zu lose eingestellt ist. Durch die leicht von vorn einwirkenden Fahrbahnstöße werden lediglich einige hintere Kugeln des unteren und vordere Kugeln des oberen Steuersatzes "in die Zange" genommen. Zudem passiert das Ganze sozusagen "mit Anlauf" und kann durch Resonanzeffekte (Gabelflattern) zu ungeheuren Kräften anwachsen. Darum sollte der Steuersatz sogar stets ein bißchen "stramm" eingestellt werden, also auf jeden Fall ohne jegliches Lagerspiel. Die Kraftimpulse verteilen sich somit auf beinahe alle Kugeln und die rasternden Eindrücke lassen entschieden länger auf sich warten.

Ebenfalls aus Gründen einer besseren Lastverteilung können Sie statt der Kugelringe auch lose Kugeln in die Steuersätze einlegen. Auf diese Weise bekommen Sie mehr Kugeln in die Lagerschalen, die Fahrbahnstöße verteilen sich auf noch mehr Kugeln und die Steuersätze sind haltbarer. Lose Kugeln unterschiedlichster Größe offeriert beispielsweise der Katalog-Vertreiber Brügelmann/Sulzbach.

Trotz fester Konterung lösen sich bei schnellen Down Hill-Passagen oder Kopfsteinpflaster-Strecken ab und zu die Steuersätze. Greifen Sie deswegen auch hier zum Schraubenkleber mittelfest, der solcherlei Selbständigkeit des "Dinglichen" unterbindet. Elegante Lösungen bieten diesbezüglich auch die zusätzlichen Klemmungen von Mavic, Shogun und Corratec, bei der eine Schraube das Gewinde zusammenpreßt. Das Lotterie-Spiel beim Einstellen wird kalkulierbar und läßt auch Kraftakte (Abrutscher mit dem Schlüssel) vergessen.

Nach jeder zweiten Trainingsfahrt sollten Sie sicherheitshalber den Steuersatz kurz auf Spielfreiheit überprüfen. Dazu halten Sie eine Hand an den Spalt zwischen Gabelkonus und Lagerschale, ziehen mit der zweiten die Vorderradbremse und "schockeln" das Velo leicht vor und zurück. Bereits ein winzigstes Spiel ist so auszumachen. Falls diagnostiziert, bitte sofort nachstellen.

 

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Sonder-Steuersätze

 

Außer den Standard-Steuersätzen für ein 25,4 mm-Gabelschaftrohr gibt es aus Stabilitätsgründen (das Gabelschaftohr ist das am höchsten belastete Rohr eines Fahrradrahmens) noch solche für 28,6 mm- und 31,7 mm-Schaftrohre (1 1/8 " und 1 1/4 "). Die größeren, sogenannten "Oversize"-Ausführungen benötigen zum Kontern selbstverständlich auch größere Schlüssel, weshalb sich hier die oben genannten Klemmsätze ausgezeichnet eignen. Nicht genug mit der Steuersatz-Vielfalt: Es gibt jetzt auch solche für Aheaset-Vorbauten, die sich in erster Linie durch eine gewindelose Kopfschale auszeichnen.

Sehr beliebt wurden in den letzten Jahren die Nadelsteuersätze. Hier liegen keine Kugeln zwischen Konus und Lagerschale, sondern dünne Rollen, halt Nadeln. Durch die Schüttel-Impulse bestehen keine punktförmigen Berührungen der Kugeln auf Lagerschale und Konus, sondern linienförmige Auflagen. Die "Genadelten" können so "unbeeindruckt" wesentlich mehr Stöße verdauen als die "Gekugelten". Die Leichtgängigkeit hinkt der von gekugelten Steuersätzen zwar unwesentlich hinterher, ist aber durchaus vertretbar. Schwieriger wird das Kontern dieser Nadelsätze: Da entscheidet eine Zwanzigstel- Umdrehung darüber, ob der Steuersatz wackelt oder klemmt. Noch bedeutsamer als bei den herkömmlichen Lenklagern ist deswegen eine saubere Ausfräsung für die Lagerschalen-Sitze im Steuerrohr.

Bezüglich der Klemmung etwas einfacher einstellbar sind Kombis: Unten, wo die höchste Belastung auftritt genadelt - oben, wo nur noch wenige Power auf den Steuersatz einwirkt gekugelt, wird sowohl die Leichtgängigkeit verbessert wie auch die Koterrung vereinfacht.


Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH Christian Smolik 1994 - 03.08.1999
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH Jörg Bucher zuletzt am 24.08.1999