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Kapitel 15 Lenker |
Als Lenkorgan am Velo unabdingbar, kommt dem Lenker in seiner Eigenschaft als vorderer Kontaktpunkt zum fahrbaren Untersatz noch eine weitere Aufgabe zu: Das Abstützen des Oberkörpers beim Normalradeln und das Gegenhalten, wenn im Wiegetritt am Berg kräftig am Lenker gezogen wird. Weiterhin muß er für längere Fahrten bequeme, ermüdungsfreie und möglichst auch noch unterschiedliche Griffhaltung der Hände gewährleisten.
Der in seiner Grundform bewährte Rennlenker wird in einigen Variationen angeboten. Die wichtigsten:
Merkxform: Er ist mit seinen engen Biegungen fast eckig geraten und bietet besonders auf dem oberen Quergriff viel Platz für den Griff bei aufrechter Haltung auf dem Velo.
Poulidor: "Der hängende Lenker". Er fällt von der Lenkermitte schräg zu den Bremsgriffen ab und begünstigt dadurch diese meistgefahrene Bremsgriffhaltung.
Gimondi: Er wirkt durch seine weicheren Bogenübergänge optisch sehr atraktiv und begünstigt die Giffhaltung "tiefer Lenker", also den Griff an die unteren Lenkerenden.
Randoneur: Von der Mitte ausgehend, werden die Seiten hochgezogen, wodurch sich eine aufrechtere Haltung ergibt.
Anatomic einfach: Diese von Modolo entwickelte Lenkerform bildet den unteren Lenkerbogen gerade aus. Die Hand liegt lockerer am Lenker, da sie nicht mehr nach innen durchdrückt. Zusätzlich bekam der Lenker noch eine eingedrückte Nut, um das Bremskabel sicher und wenig auftragend am Lenker entlang zu führen.
Forma: Der von TTT hergestellte Lenker hat den unteren Lenkerbogen sogar ein Stück entgegengesetzt gebogen, so daß
er sich der Handhöhlung noch besser anschmiegen kann. Auch er besitzt eine Rille zur Bremszugverlegung.
Scott/Lemontform: Besitzt in etwas die Merkxs Geometrie, verlängert jedoch die unteren Enden parallel zum oberen Quergriff nach innen. Ein hinsichtlich Sturzverletzungen sicherer Lenker. Die nach innen gezogenen Lenkerenden ermöglichen einen intensiveren Krafteinsatz, wenn es "zur Sache geht".
Achten sie beim Lenkerkauf auf die für Sie entsprechende Breite. Normalbreite ist 42 Zentimeter (außen an den Lenkerenden gemessen). Kleine und schlanke Radler (-innen) sind mit 40er Lenker besser bedient, während sich breitschultrige Recken erst bei einer Lenkerbreite von 44 Zentimeter so richtig auf dem Velo "entfalten" können.
Wer kennt es nicht: Beim Wiegetritt bergauf stößt der Oberschenkel an das Lenkerende. Vor allem Radler mit kurzem Vorbau oder breitere Beinführung sind von diesem auch Lenk-verunsichenden Kontakt betroffen. Da nun aber die meisten Radler - Sie erkennen es an den Griffspuren auf dem Lenkerband - den Lenker weiter vorn im Bogen packen, fahren sie die letzten 3 bis 4 Zentimeter des Lenkers nur unnötig durch die Gegend. Was liegt also näher, als die Enden entsprechend zu kürzen.
Der Lenker ist mit dem Vorbau eines der Veloteile, die Fahrbahnstöße durch ihr elastisches Nachgeben mildern. Ein Grund, daß ich bei Kopfsteinplaster gern "tiefen Lenker" fahre. Gegenüber den normalen Lenkern mit ca. 350 Gramm Gewicht ist die Puffer-Wirkung leichterer Rennlenkner spürbar besser.
"Geben Sie Ihrem Rennrad mal ein neues Outfit, ein Lenkerband wirkt Wunder": So preist Großvertreiber Rose treffend seine poppigen Lenkerbänder an (natürlich stehen da andere Vertreiber und Händler nicht's nach). Es ist wirklich erstaunlich, was man alles mit dem Griffband veranstalten kann: Konträr, oder Ton in Ton mit der Rahmenfarbe - mit Schwarz oder Antrahzit einen eleganten "Tatsch" gebend, mit ungefärbtem Korkband Umweltsignale setzend... das sind noch nicht einal alle Möglichkeiten. Man kann das Band (besser noch die im Handel erhältlichen polsternden Schläuche) als zusätzliche Pufferung nutzen, oder auf das gute alte und vor allem griffige Leinenband zurückgreifen, damit man den Lenker auch in "heißen" Renn-Situationen fest im Griff hat. Der Individualität ist beim Lenkerband Tür und Tor geöffnent. Nur eines sollte jedes Lenkerband sein: Sauber gewickelt. Der "Schludrian" zahlt sich nicht aus. Spätestens wenn nachlässig eingewickelte Falten einmal Handblasen zur Folge hatten, wird jeder sein Lenkerband mit präziser Akuratesse wickeln.
Der Triathlon-Lenker wurde seit 89 bereits vereinzelt in dem Ausdauerdreikämpfen gefahren, erlebte aber erst mit dem legendären Zeitfahr-Ritt von Greg Lemont in Paris seine Sternstunde, als Lemont Fignon mit ganzen acht Sekunden Vorsprung den Toursieg entriß. Durch weit nach vorn und eng zusammengelegten Lenkerenden nimmt der Radler eine aerodynamisch günstige Art Skifahrerhaltung auf dem Velo ein. Gegenüber einer guten Zeitfahrposition per Rennlenker (dazu muß der Lenker aber 10 Zentimeter tiefer als der Sattel stehen) erbringt der Tria-Lenker aber nur dann minimale aerodynamische Verbesserungen, wenn die Ellenbogen knapp bis zur Körperbreite ausgestellt werden. Sein Vorteil hingegen liegt in der entspannteren Haltung. Über die auf Polster aufliegenden Unterarme kann der Oberkörper bequem abgestützt werden. Beim Rennlenker dagegen kostet eine ideale Zeitfahrposition mit fast waagerechten Unterarmen viel statische Haltearbeit. Kraft, die den Kreislauf zusätzlich belastet.
Nachteilig beim Tria-Lenker: Zu viel Gewicht auf das Vorderrad (träges Fahrverhalten), es kann nicht mehr so feinfühlig gesteuert werden. Ja, manche Tria-Einsteiger "schwanken" beängstigend bei dieser neuen Art Rad zufahren. Ein Grund, daß der BDR den Trialenker nur für Einzelfahrten erlaubt. Mit einer geänderten Velo-Geometrie kann das Fahrverhalten jedoch verbessert werden. Der Hinterbau wird kürzer, die Fußfreiheit vergrößert und der Sattelrohrwinkel steiler angestellt. So verteilt sich die Fahrerlast gleichmäßiger auf die beiden Laufräder. Das Velo gewinnt wieder an Wendigkeit, der vornübergebeugte Haltung durch die Vorstellung des Sattels Rechnung getragen.
Beim Umgreifen vom vorderen Ausleger zum Unterlenker muß der Oberkörper gehoben werden, wodurch das Vorderrad plötzlich entlastet wird. Das kann sogar zum Rahmenflattern führen. Vermindern können sie diesen Effekt, indem sie sich einen Unterlenker zulegen, der seitlich entsprechen tief nach unten und vorn gebogen ist.
1. Kombinationen verschiedenster Lenker- und Vorbau-Fabrikate sind realisierbar. Doch müssen die Durchmesser im Klemmbereich bis auf O,15 mm übereinstimmen.
2. Tria-Aufsätze können bedenkenlos an den Rennlenker geklemmt werden; wenn - wie oben angeführt - die weiter nach unten und vorn gezogenen Unterlenker in Hörnchenform zweckdienlicher erscheinen.
3. Bei Tria-Lenkern mit sozusagen hautnah an der Lenkermanschette angebrachten Klemmstellen (Profile) sollten die Klemmstellen gradfrei ausgeschmirgelt werden, um den Lenker nicht in einem hochbelasteten Teil mit Einkerbungen zu schwächen.
4. Alle Lenker mit zwei Kabelnuten lassen sich zur Montage inklusive Zugverlegung der "Ergopower"-Brems-/Schalthebel herannehmen.
Der annähernd gerade MTB-Lenker ermöglicht mit der sich daraus ergebenden Hand- und Oberkörperhaltung eine optimale Lenkkontrolle des Mountain Bikes. Seine überproportionale Breite gestattet es, hohe Lenkkräfte aufzubringen. Und die sind auch erforderlich, wenn im "tiefen Geläuf", am schrägen Hang oder in einer Spurrille Lenkkorrekturen nötig sind. Anatomisch gesehen ist er jedoch eine echte Katastrophe: Die Handgelenke werden unnatürlich verdreht, Griffvariationen wie beim Rennlenker sind nahezu ausgeschlossen. Die Hände der Biker "schlafen" ein und Handgelenk-Schmerzen sind vor allem bei weniger geübten Bikern an der Tagesordnung. Erst nach einer mehrmonatigen Gewöhnung stellen sich Hände und Gelenke auf diesen Lenkertyp ein. Ein zusätzliches Manko des MTB-Lenkers: Beim Wiegetritt kann, wieder verglichen mit dem Rennlenker, weniger effizient am Lenker gezogen werden.
Die Lenkerbreite beim Mountainbike stört bisweilen - iIn der Garage, beim Autotransport und sogar beim Brötchenholen ragt der breite Lenker in die Umwelt hinein und verhakeln sich gern mit allen möglichen Gegenständen. Eine leichte Kürzung auf 56 bis 52 cm erbringt bisweilen etwas Abhilfe und verbessert auch die Handhaltung aus anatomischer Sicht. Mehr ist allerdings nicht machbar, sonst können die geforderten Lenkkräfte nicht mehr aufgebracht werden, die Kontrolle über das Sportgerät wäre ernsthaft gefährdet. Als wahrer Verkauf-Hit entpuppen sich nach wie vor die aufklemmbaren Lenkerhörnchen, die auch Barends oder Bullbars genannt werden. Beinahe jeder Biker rüstete nach.
Mit ihrer Hilfe können wir am Berg kräftiger ziehen, die Handhaltung während der Fahrt beliebig variieren und bergab bzw. auf flachen Passagen eine aerodynamisch günstigere Oberkörperhaltung einnehmen. Dazu kommt noch eine vorteilhaftere Federwirkung bei einem unebenen Bodenbelag, da jetzt weiter außen, sozusagen mit einem längeren Hebelarm gegriffen wird. Dieser Federeffekt wirkt bei Hörnchen noch stärker, die oben minimal "um die Ecke" herumreichen. Bedauerlicherweise klemmen nicht alle diese zum Teil überhastet konzipierten Marktrenner. Manche rutschen durch, andere malträtieren den Lenker derart, daß es zu Abbrüchen kommt. Diesbezüglich in einer Fotoserie ein paar Hinweise, wie Sie die Hörnchen fest installieren. Aus dem Schneider sind Sie, wenn Sie gleich zu einem Lenker greifen, dessen Horn von vornherein integriert ist. Auch Reiseradler bevorzugen diese Lenker-Version aufgrund ihrer zahlreichen Griff-Abwandlungen.
Die miserablen anatomischen Gegebenheiten beim MTB-Lenker animierten reihenweise Tüftler und Hersteller dazu, neue Lenkerformen zu entwickeln. Die Kataloge von Großvertreiber sind voll davon. Selbst wenn sich bislang kein Typus richtig durchsetzen konnte, sollten Sie ruhig einmal einen Blick riskieren.
Die allgemeine Leichtbauwelle der Mountain Bikes hat auch die Lenker-Fertigung erfaßt. Man fiel hier förmlich ins Extreme: Anfängliche 300 Gramm wurden auf 100 Gramm gedrückt. Und das voll auf Kosten der Sicherheit. Am laufenden Band gab es Lenkerbrüche, vereinzelt mit schweren Verletzungen. Verständlich, daß daraufhin viele Biker solche Leichtlenker rundherum ablehnen. Doch man kann aus solchen Peinlichkeiten auch lernen: Am Ende dünn auslaufende Lenker sind dem Kraftfluß (größere Flexbewegungen bei Extrembelastungen) nur förderlich. Indiskutabel ist lediglich eine dünne Wandstärke im Bereich der Lenkerklemmung. Wenn dort mehr Material eingesetzt und das Lenkergewicht auf 130 bis 150 Gramm hochgeschraubt wird, sind wir auf einer erfolgversprechenden Spur. Trotzdem ist auch in dieser Gewichtsklasse noch Vorsicht geboten. Schauen Sie diese Lenker beim Kauf gut an. Oftmals wird hochfestes, damit aber nur geringfügig verformbares Aluminium verwendet. Beim Konifizieren oder Biegen kann es dann holterdiepolter zu einer sogenannten Überstreckung des Materials kommen. Auszumachen sind solche Lenker an einer körnigen Oberflächenstruktur im Bereich der Konifizierung und Biegung.
Carbon-Lenker sind zwar besser als ihr Ruf (hinsichtlich der Dauerschwingfestigkeit überflügeln sie sogar Stahl), aber der Umgang mit ihnen verlangt eine werkstoffgerechte Behandlung. Es sind fast ausschließlich die Krafteinleitstellen, die Sorgen bereiten. Scharfe Grate, Kanten oder ein bei der Montage eingebrachtes Sandkörnchen können schon einzelne Fasern "knacken". An dieser Stelle arbeiten sich die oberflächlichen Faserbeschädigungen in die Tiefe und bei einer Extrembelastung bricht´s. Darum vor dem Einbau eines Carbon-Lenkers die Ecken und Kanten des Vorbauauges sorgfältig ausschmirgeln, dito die Bandagen der Brems- und Schaltgriffe. Entschieden sicherer wird ein Carbon-Lenker übrigens, wenn die Klemmung nicht direkt auf dem Carbon erfolgt, sondern mittels einer aufgeklebten dünnen Alu-Hülse. Die aber müßte gleich vom Anbieter angebracht werden. In Selbsthilfe auf den Lenker geklebt, ist zu bedenken, daß nun das Vorbauauge einen größeren Durchmesser besitzen muß.
Bei sämtlichen Leichtlenkern ist mangels einer ausreichenden Wandstärke die Befestigung von Barends mit Schwierigkeiten verbunden. Man ist in diesem Fall gut beraten, sich eine dünn auslaufende Verstärkungshülse zu besorgen und einzukleben. Zusammenfassend lassen sich in Sachen "Sicherheit" bei Leichtlenkern folgende Faustregeln aufstellen:
1. Lenker möglichst kürzen.
2. Den Lenker auch schon nach Stürzen auswechseln, bei denen es zu geringen plastischen Verformungen gekommen ist.
3. Leichtlenker turnusmäßig austauschen (Lenker um 100 Gramm halbjährlich, Lenker um 120 Gramm jährlich).
4. Kaufen Sie keine Alu-Leichtlenker mit körniger Oberflächenstruktur.
Rondoneur-Lenker: Bei Reiseradlern nach wie vor beliebt ist der sogenannte. Hierbei handelt es sich um einen Rennlenker, dessen Querstück leicht angehoben ist und somit eine aufrechtere Sitzhaltung erlaubt. Modolo bietet seit 1999 mit dem "Gran Fondo" einen um 3 cm nach hinten versetzten Querlenker, der noch etwas bequemer ist als der Rondoneur.
Büffellenker von Erichsen: Die Lenkerbögen werden zum Fahrer hin weiter gezogen, und an der oberen Querstange geschlossen. Ein absoluter Sicherheitlenker, der überdies noch mehr Griff-Variatonen zuläßt als der übliche Rennlenker.
Einige Mountain Biker montieren sich den Tria-Aufsatz auf ihr Bike. Das gibt ein exotisches Outfit und ist solange akzeptabel, wie keine Rennen damit gefahren werden. Die UCI hat dieses Lenker-Modell nicht grundlos ausnahmslos für Einzelwettbewerbe zugelassen: Erstens können ihre spießigen Hörner bei Massenstürzen gefährliche Verletzungen heraufbeschwören und zweitens verändert der Lenker das Fahrverhalten. Es kommt bei der weit nach vorn geneigten, Skifahrer-ähnlichen Haltung zu einer erhöhten Belastung des Vorderrades, was das Lenkverhalten der Fahrräder träger macht.
Bei diesen Offroad-Einlagen greifen die Tria-freundlichen Biker ohnehin auf den Unterlenker, dem Original-MTB-Lenker. Mit ihm läßt sich feinfühliger als mit Deichsel und Unterarmen steuern. Der Vorteil dieser Kombination für die Geländeradler: Via Armauflage lassen sich wohltuend, genüßlich und aerodynamisch erfreulich längere Straßenpassagen herunterspulen. Weshalb inzwischen auch viele Reisefreaks jene Lenkeraufsätze auf ihre Lastesel plazieren.
Lenker/Vorbau-Kombis: Lenker und Vorbau werden als eine Einheit ausgeführt. Als Nachteil muß man hier fehlende Verstellmöglichkeiten in Kauf nehmen. Aber es gibt auch Positives zu berichten: Point und ITM haben einen verstellbaren Lenker/Vorbau-Kombi entworfen. Dort stehen zunächst vom Vorbau rechts und links Lenkerstummel ab, auf die man dann entweder einen MTB- oder einen Rennlenker festklemmen kann. Nebenbei läßt sich damit auch die Lenkerbreite variieren. Eine sehr bemerkenswerte Idee, die wohl hauptsächlich jene Radfahrer schätzen werden, die ihr MTB oder Trekkingrad auch als Alltags- oder Reiserad benutzen.
Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH Christian Smolik 1994 -
03.08.1999
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH Jörg Bucher zuletzt am
24.08.1999