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Kapitel 5 Ritzel
und "Ritzeln"
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Zusammen mit den unterschiedlichen Zähnezahlen der vorderen Kettenblätter bestimmen auch die hinteren Ritzel per Größe und Anzahl die Übersetzungspalette unseres Kettengetriebes.
Aus anfangs vier und fünf Ritzel auf dem Hinterrad wurden sieben und in den preislich höher angesiedelten Klassen sogar acht oder neun. Für den Biker bedeutet dies, sich seine Bordgetriebe entweder mit kleinen Gangsprüngen fein abstimmen zu können bzw. mittels größerer Gangsprünge einen großen Übersetzungsbereich zur Verfügung zu haben. Die Wahl zwischen Normalgarnitur oder Micro Drive erweitert die denkbare Gangkollektion nochmals. Um hier eine gewisse Übersicht, eine Abstimmung der Übersetzung auf die persönlichen Bedürfnisse zu bekommen, beschäftigen wir uns zunächst mit dem "Ritzeln", das heißt dem Ertüfteln der hauseigenen Übersetzung.
Diese, im Gegensatz zum schweißtreibenden Kurbeln, virusartig auftretende "Trockenübung" erwischt eines Tages jeden Radfahrer. Fieberhaft werden Stunden um Stunden Übersetzungstabellen studiert oder über den Computer meterlange Ausdrucke produziert. "Radfahren" erleichtert Ihnen diese mühselige Arbeit mit einem abgebildeten Ritzelrechner (ausdrucken, ausschneiden und auf ein Stück Pappe kleben), der das Problem grafisch angeht. Sein Vorteil: Anhand der leiterähnlichen Darstellung kann man Sprünge, Überlappungen oder Lücken in der Übersetzungspalette auf einen Blick erkennen, was in nebenstehender Abbildung durch eine typische MTB-Abstufung verdeutlicht werden soll. Das verschafft sicherlich eher den gewünschten Durchblick, als endlos aneinander gereihte Zahlenkolonnen und erspart auf jeden Fall umständliche Rechnereien. Zuvor allerdings noch zu den differierenden Übersetzungsangaben, auf die wir zwecks der besseren Verständigung unter Radlerkollegen kurz eingehen wollen:
1. Die reine Übersetzung:
Sie gibt das Zahlenverhältnis der aufliegenden Kettenblatt/Ritzel-Kombination an. Bei 48/12 wäre das 4 (oder 4:1), denn 48 dividiert durch 12, ergibt just jene 4.
2. Die Entfaltung:
Sie gibt den Weg an, der bei einer Kurbelumdrehung mit der jeweiligen Kettenblatt/Ritzel-Kombination zurückgelegt wird. Dazu ist die reine Übersetzung mit dem Radumfang zu multiplizieren. Er beträgt beim MTB-Laufrad mit einem 50 mm dicken Reifen rund 2,08 Meter, für ein 28 Zoll-Laufrad mit einem 28 mm dicken Reifen 2,15 Meter. Für unser Beispiel ergibt das: 4 x 2,08 m = 8,32 m für das MTB- und 8,6 m für das 28 Zoll- Laufrad.
3. Die Zollangabe:
Eine Angabe, die gern von Rennradlern benutzt wird, wobei die reine Übersetzung mit dem lediglich noch historisch richtigen Laufraddurchmesser von 27 Zoll multipliziert wird. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: 4 x 27 Zoll = 108 Zoll (Kürzel für Zoll = ").
Die Zollangabe läßt sich in die Entfaltungsangabe umrechnen, wenn sie zunächst mit 2,54 (2,54 cm entsprechen einem Zoll) und anschließend noch mit 3,14 multipliziert wird. Für eine Meterangabe ist dieses Ergebnis noch durch 100 zu dividieren. Rein zufällig stimmt dieser Wert dann mit der Entfaltung für ein 28 Zoll-Laufrad mit einem 28 mm dicken Reifen überein, da bei den alten 27 Zoll-Rennrädern die Reifen einen noch dickeren Durchmesser besaßen.
Techniker sind bereits von Berufs wegen häufig mit Zahlenspielereien vertraut und bevorzugen deshalb die reine Übersetzung. Rennfahrer hingegen lieben die Zollangabe, da beispielsweise die Flachübersetzung 52/14 (wieder zufällig) 100 Zoll beträgt und sozusagen dem Limit, sprich einem 100prozentigen Leistungseinsatz, gleichkommt. Entsprechend ergibt eine typische Trainingsübersetzung von 42/16 dann 70,8 Zoll oder anders ausgedrückt, es wird mit 70% Krafteinsatz gefahren. Die Zollangabe stimmt im Radsport ungefähr mit der Leistungsintensität überein.
Für Mountain Biker und Normalradler ist die Entfaltung am aussagekräftigsten, weshalb wir auch den nebenstehenden Ritzelrechner danach ausgelegt haben (Ritzelrechner ausdrucken, auf ein stück Pappe kleben und ausschneiden). Der Umgang mit ihm mag zu Beginn kompliziert anmuten, was aber keineswegs mehr zutrifft, sobald einem das Verfahren geläufig ist. Dazu unser simples "Kochrezept":
1. Auf einem Blatt Papier einen ca. 3 cm langen waagerechten Strich ziehen.
2. Skala Zähnezahl des Rechners so positionieren, daß die Zähnezahl des großen Kettenblattes (im Beispiel 48 Zähne) auf das rechte Ende des Striches aufliegt.
3. Ritzelabstufung, zum Beispiel 12/13/14/15/17/19/22, mit kurzen Querstrichen von der Skala nach rechts auf das Papier übertragen. Dann Querstriche mit einem senkrechten Strich bis zur unteren Linie verbinden.
4. Skala Entfaltung so positionieren, daß der untere Pfeil (Radumfang MTB-Laufrad) auf der unteren Querlinie aufliegt.
5. Die Entfaltungswerte ablesen (bei den kurzen Querstrichen) und rechts daneben schreiben. Im Beispiel für das 48er Kettenblatt: 8,2 m; 7,5 m; 7,0 m; 6,5 m; 5,8 m; 5,1 m; 4,5 m.
Zur Feststellung der Entfaltungswerte des mittleren Kettenblattes verfahren Sie entsprechend, wobei diese Werte weiter links eine zweite Säule ergeben. Wir nahmen ein Kettenblatt mit 38 Zähnen, dessen Entfaltungswerte dann 6,5 m; 6,0 m; 5,5 m; 5,1 m; 4,6 m; 4,1 m und 3,5 m betragen. Gleichermaßen ermitteln wir noch die Ergebnisse für das kleinste Kettenblatt mit 28 Zähnen, nämlich 4,8 m; 4,4 m; 3,8 m; 3,4 m; 3,0 m und 2,6 m und tragen diese als dritte Säule nach links auf.
Wer sich darüber hinaus dafür interessiert, wie groß die Ritzelsprünge in Prozente ausgedrückt sind, kann das anhand des kleinen, eingerahmten Kästchens ablesen. Bei uns sind es zwischen dem 12er und dem 13er Ritzel knapp 8 % und zwischen dem 19er und dem 22er 11,5 %.
Bei dieser Gelegenheit noch ein Wort zu den modernen Ritzelpaketen mit Überlauf-Zahnform, die ja mittlerweile von allen Ritzelherstellern angeboten werden und alle - mit zum Teil kleinen Abstrichen - an die gute Funktionalität der Shimano-Ritzel heran reichen. Durch die kurze Zahnhöhe dieser Ritzel, sowie der wannenartigen Freiräume zwischen den einzelnen Ritzelzähnen ist die Schaltwilligkeit dieser ritzel besser als die Früherer Ritzel-Zahnformen. Wer also seine persönliche, individuelle Abstufung realisieren will, kann die Ritzelpakete auseinander schrauben und alsdann hinsichtlich der Zähnezahlen nach eignem Gusto wieder zusammenstecken.
Wir haben das sogar einmal mit Ritzeln unterschiedlicher Hersteller probiert und eine nur unwesentliche Verschlechterung der Schaltfunktion feststellen können. Die nun läßt sich mit der guten alten Schalttugend während des Schaltvorganges kurzzeitig dem "Dampf" vom Pedal nehmen ganz gut ausgleichen. Es kracht dann höchstens einmal, wenn Sie in Gelände, in einer Schalt-Notsituation unter voller Tretlast einen Gangwechsel vornehmen müssen.
Besonderheiten: 1. Durch die kurzen Zähne schmiegen sich die Kettenrollen lediglich zwei bis drei Zehntel-Millimeter unterhalb des Zahnkopfes an die Zahnflanke der Ritzel. Längt sich die Kette, und das ist unvermeidlich, rutschen die Rollen bei den kleineren Ritzeln schnell über die Zahnköpfe hinweg - die Kette "ratscht" durch. Daher ist eine intensive Kettenpflege sowie eine regelmäßige Kontrolle des Ketten-Verschleißgrades bzw. ein Austausch von Kette und Ritzel eine absolute Pflichtübung, wenn Sie den Komfort dieser Schalterrungenschaft langfristig genießen wollen. Faustregel: Kette je nach Regen- und Schmutzbelastung sorgfältig säubern und schmieren und je nach Regeneinsatz alle 1.500 bis 2.500 Kilometer wechseln. Bei den Ritzel neigen vorwiegend die unter 16 Zähne zum frühzeitigen Verschleiß. Werden die rechtzeitig ausgewechselt kann der Rest der Ritzelpaketes weiter gefahren werden.
2. Die Kette wird bei ihrem Zick/Zack-Schwenk seitlich stark ausgelenkt, wobei die Außenlaschen vom Kettenbolzen rutschen können. Das passiert an der Nietstelle ausgesprochen gern, wenn dort nicht ein spezieller Montage-Niet eingesetzt bzw. der an dieser Stelle eingenietete Bolzen mit einem Rohloff-Revolver aufgeweitet wird. Ausführliche Informationen hierzu finden Sie im Kapitel "Kette".
3. Die Kompatibilität der Ritzel: Bei Schraubkränzen müssen Sie sich nach dem jeweiligen Angebot des Herstellers richten. Bei den Kassetten-Ritzelpaketen sind alle Hersteller Shimano-kompatibel geworden. Ausnahme: Campagnolo, für deren Kassettennabe es jedoch von der Firma Rohloff bis 1997 den Chash 8 gab. Das war ein mit dem Original austauschbaren Kassettenkörper, auf den dann auch die Shimano-Ritzel paßten. Bei ein Gang durch die Fahrradläden könnten Sie da ja noch auf einen Ladenhüter stoßen.
Copyright und redaktionelle Inhalte:
Dipl.Ing.FH Christian Smolik 1994 -
03.08.1999
technische Umsetzung:
Dipl.Ing.FH Jörg Bucher zuletzt am
24.08.1999